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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Geisterstunden“

In der letzten Woche sahen wir uns einer Vielzahl von Vampiren, Hexen, Skelettieren und Monstern hilflos ausgesetzt. Geisterbahnen vom Rummel war ich ja durchaus ein Stück gewohnt, und seit dem Amtseintritt von Trump konnte man sich ebenfalls nicht sicher sein, ob so manche Personalie nicht etwa aus einer Absprache mit der Unterwelt resultierte. Was dann letztlich aber das Atmen doch wieder weitestgehend erleichterte, war die Tatsache, dass alles nur grelle Maskerade war. Und einen triftigen Grund gab es auch dafür: Halloween. Ein horrendes Treiben irisch-keltischen Ursprungs, dass nach einem Umweg über Amerika zu uns nach Deutschland fand. Sogar ohne Trump, obwohl der über den nach wie vor zuverlässigsten Kompass verfügt. Jedenfalls warteten auch bei uns die Kinder die Dunkelheit ab, ehe sich dann Leander, Jakob, Max und Valentin aufmachten, in einem Umkreis von vielleicht 200 Metern arglose Bürger das Fürchten zu lehren. Und die potthässliche Maske fiel erst, wenn die Süßwarenproduktion, -verpackung und -weitergabe an Ort und Stelle auf Hochtouren lief. Denn erst damit waren volle Taschen garantiert, und seien wir doch ehrlich: Genau darauf kommt es bei Halloween doch an. Auch wenn noch immer viele meinen, dass diese Nacht einfach wie geschaffen ist für eine erfolgreiche Geisterjagd. Das ist sie schon auch. Auf der anderen Seite halte ich Hohlköpfe, wie sie in ausgeschabten Kürbissen zum Ausdruck kommen, für nicht sonderlich angriffslustig. Für diskussionsfähig aber auch nicht, das sind dann aber die ohne vorgeschobene Gemüseform…

Vor ungefähr zwei Monaten habe ich mich zusammen mit Max in einen Wagen der Geisterbahn auf dem Rosenheimer Herbstfest gesetzt. Das war also auf einem echten Rummelplatz, und von aufgehellten Kürbisköpfen war noch weit und breit nichts zu sehen. Nach etwa zehn Minuten Wartezeit ging es mit einem Ruck mitten hinein in das künstliche Schattenreich. Was ich noch in Erinnerung habe: Einen geschlossenen Raum, der urplötzlich ins Wanken geriet. Der sollte wohl ein Schiffinneres auf hoher und wilder See darstellen, grob abgeschaut von einem Piratenschiff. Nesthäkchen Oskar wäre bestimmt augenblicklich in höchste Verzückung geraten, kennt er dieses spezifische Interieur doch längst aus diversen Piratenliedern. Und wahrscheinlich wäre er es sogar gewesen, der dieses Wanken mit seinen artistischen Tanzbewegungen überhaupt erst ausgelöst hätte. Aber egal, für eine gefühlte Minute waren wir in diesem Raum gefangen. Wasserfontänen drangen durch Ritzen an den Seitenwänden und in der Decke, eine zunächst wunderschöne Meerjungfrau verwandelte sich kurz vor unserem Umzug in den nächsten Horror-Erlebnisraum in eine kreischende Zombiegreisin. Zwar nur auf einem piratenmäßig umrahmten Monitor, aber der Schreck saß uns echt in den Knochen. Da blieb er dann auch noch eine Weile hocken, wobei sich sein Rückzug schon auch bald wieder ankündigte. Weil nämlich manch vermeintliches Angsteinjagen sich ziemlich flott als prätentiöse Albernheit auf der ersten technischen Evolutionsstufe herausstellte.

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Mehr gewollt als gekonnt ist ja auch sonst das Herzensanliegen vieler, und in dieser Geisterbahn hat man sich das offenbar auch gerne zu eigen gemacht. Wenn ich jemanden erschrecken möchte, dann tu ich das auf glaubwürdiger und – ganz genau – gekonnter Grundlage. Ich mach dazu ein Gesicht, wie es jeden Morgen von den ersten Tagen des Homo Sapiens erzählt, setze einen Fuß vor den anderen in wummernder Yeti-Art und sage dann einen furchterregenden, ganz und gar schockierenden Spruch auf: „Kinder, heute bleibe ich schon wieder den ganzen Tag zu Hause!“

Für Max und mich blieb es also bei überschaubarer Gänsehaut. Ein gemeinsames müdes Lächeln quittierte abschließend die mehr oder weniger vorhersehbare Nummernrevue aufgeblasener Monsterbacken. Also sollte es Halloween gut zwei Monate später richten. Hat das Grusel-Konto jetzt aber auch nicht gerade sichtbar aufgefüllt. Eine Totenkopf-Maske hier, ein paar leuchtende Plastikknochenhände dort. Von Max und Valentin abwechselnd darauf oder auch auf eine Alien-Gesichtspappe zugegriffen, stellte sich mir vielleicht mal ein Nackenhaar auf. Und das sollte Halloween sein? Einmal nur, da gefror mir das Blut regelrecht in den Adern: Von den ganzen Süßigkeiten fielen für mich gerade einmal zwei kleine Päckchen Gummibärchen ab…

Fotos: Titel © Fotolia // Mitte © Pixabay

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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