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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Erleuchtung auf Zeit“

Von einer recht großen Überraschung war ja beim letzten Mal die Rede, weswegen wir uns jetzt wieder den erwartbaren Dingen des Lebens mit Kindern zuwenden dürfen. Dazu gehört zweifelsohne Putzwahn und Reinlichkeitsfimmel auf deren Seiten. Und damit nicht genug: Sie räumen für ihr Leben gerne auf. Jetzt bräuchte ich nur noch aus diesem schönen Traum aufwachen, und los geht`s. Max zum Beispiel lässt für sein Leben gerne einfach mal was liegen. Und das würde wohl die nächsten 100 Jahre dort liegenbleiben, hätte ich kein Selbstlos-Gen mit maximalen Aktivierungspotenzial. Oder Leopold und Leander: Über was die manchmal einfach so drübersteigen, ohne auch nur den geringsten Blick darauf zu verschwenden. Würden die so mit der Menschheitsgeschichte verfahren – verdammt Viele fänden daran überhaupt nichts Besonderes. Dann gibt es aber auch noch jene, die würden ihre gesamte Existenz in Frage stellen, könnten sie sich nicht täglich größten hygienischen Herausforderungen stellen. Zugegeben: Das engere familiäre Umfeld gibt das nicht unbedingt her. Aber für was hat man Nachbarn auf Zeit, die gerne und regelmäßig gesangliche Kostproben zum Besten geben, wenn sie nicht gerade… Putzen.

Das Haus gleich nebenan ist seiner eigentlichen Bestimmung nach ein Ferienhaus. Vor allem in den Sommermonaten wird es eben dafür in Beschlag genommen, in der Regel von uns seit mehreren Jahren bereits vertrauten Gästen. Diese wiederum sind in der Regel Verwandte und Freunde der Eigentümer, was die mögliche Gästeklientel ziemlich überschaubar macht. Bis jetzt. Denn wie aus dem Nichts fuhr Ende Juli ein schwarzer PKW auf den hauseigenen Parkplatz. Das Kennzeichen war ein Berliner, und die sechs Insassen mussten es demnach wohl auch sein. Ein Mann und fünf Frauen stiegen aus, wahrscheinlich sogar vorher schon aus dem stinknormalen Alltagsleben. Grund zu dieser Annahme boten gelegentliche Beobachtungen von Leander, Jakob und Pauline, die möglich erschienen ließen, dass unsere vorübergehenden Nachbarn esoterischen Teilbereichen verfallen waren. So erschallten mantrische Gesänge, rückte eine Harfe ins Blickfeld, wurden beschwörende Trommellaute laut, wehten einschlägig-bunte Gewänder durch Haus und Garten, wurde vegetarische bis bestandteilfreie Kost serviert, wurde… geputzt. Jeden Tag, als womöglich rituelle Handlung. Nahezu jedes Mal so, dass die dafür eingesetzten Bewegungen geradewegs vom Himmel orchestriert schienen.

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Jedenfalls dergestalt, dass es ins Auge stach. Und das tat es, zu auffällig positionierte sich die auserwählte Berliner Putzkolonne, als dass man darüber hinwegsehen konnte. Einer der beiden Männer – jawoll, zwei waren es plötzlich am Abend des ersten Tages, muss wohl mit einem Raumschiff nachgeflogen sein – machte sich tagtäglich eine halbe bis ganze Stunde an seinem dunklem Wagen zu schaffen. Ist aber nachvollziehbar, schließlich saß er am Steuer, Engel und Heilige den weiten Weg von der Hauptstadt der Erleuchtung ins Tal der Ahnungslosen unbeschadet überstehen zu lassen. Und wenn ich behaupte, ahnungslos, dann meine ich ahnungslos. Schließlich haben die nicht ein einziges Mal gegrüßt, geschweige denn, ein paar Worte mit uns Unvollendeten gewechselt. Woher also hätte ich oder hätten wir um ihre wahre Mission wissen sollen? Unsere immerhin war eindeutig: Beim Abendessen draußen auf der Terrasse nicht zu leise sein, wollten doch auch wir mindestens als erwacht gelten…

Die Damen und Herren aus dem Himmel über Berlin waren auch fleißige Yoga-Teilnehmer. Jeden Morgen irgendwann zwischen 6 und 9 Uhr verrenkten sie sich nach einem womöglich göttlichen Plan. Die Matten dafür lagen danach vor Hauswand und Holzscheit herum. Das sah alles andere als aufgeräumt aus, weshalb mir fast schon danach war, sie an ihre eigentliche Bestimmung zu gemahnen. Getraut habe ich mich dann aber doch nicht. Wer weiß, auf einmal hätten die mich in die vierte Dimension mit ihrem Staubsauger gesaugt. Oder man hätte mich aus einer sternenhohen Sprühflasche mit unglaublichen Erkenntnissen bestäubt. Weil mehrfache Familienväter per se Unwissende sind, die nur dazulernen können, und sei es nur das Wissen um die quantenphysikalische Reinigung der persönlichen Aura. Klingt das nicht einfach nur putzig? Schon, aber einfach nur sieben kleine grüne Männchen vom Mars hätten den Kindern schon der ungefähren Augenhöhe wegen deutlich besser gefallen…

Fotos: oben © Fotolia (Daddy cool) // unten © Pixabay

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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