Am ersten Schultag ist es zu spät. Eltern sollten frühzeitig mit ihren Erstklässlern den Weg zur Schule und zurück üben, nicht erst wenn der Ranzen auf dem Rücken sitzt. „Erklären Sie ihrem Kind ausführlich, wo Gefahren lauern“, legt Renate Hanstein vom ACE Auto Club Europa in Stuttgart den Eltern ans Herz. Wichtig ist dabei, den neuen Weg zu den üblichen Schulzeiten abzugehen. So lernen die Kinder die Verkehrsbedingungen kennen, die sie später allein zu meistern haben. Hanstein weiter: „Als Faustregel gilt: Einfache Schulwege mindestens siebenmal abgehen, schwierigere mindestens doppelt so oft.“
„Schulanfänger sind keine kleinen Erwachsenen und aufgrund ihres Entwicklungsstandes mit den komplexen Konstellationen des Straßenverkehrs schnell überfordert“, gibt die ACE-Expertin zu bedenken. Kinder im Alter zwischen sechs und acht Jahren besitzen nicht den Überblick wie Erwachsene. Sie verhalten sich mitunter völlig anders, wenn sie alleine oder in der Gruppe sind. „Gerade jüngere Kinder lassen sich stark von ihrer Gefühlslage leiten und die kann sich schnell ändern“, weiß Hanstein.
Werden beispielsweise Klassenkameraden auf der anderen Straßenseite entdeckt, wird der Verkehr uninteressant. Hinzu kommt, dass Erstklässler noch nicht die körperlichen Voraussetzungen haben, um das Verkehrsgeschehen richtig einzuschätzen. Das kinderspezifische Sichtfeld bietet einen wesentlich geringeren Überblick. Entfernungen und Geschwindigkeiten werden oft noch nicht richtig wahrgenommen. Erwachsene sollten ruhig einmal in die Hocke gehen und so den Straßenverkehr aus Sicht der Kinder erleben. Das wirkt.
Unfallursache Nummer Eins bei Schulwegunfällen ist das Überqueren der Fahrbahn. Deshalb sollen diese Schritte intensiv trainiert werden: vor jedem Betreten der Fahrbahn am Bordstein stehen bleiben; nach allen Seiten schauen; zuerst nach links, dann nach rechts; dann wieder nach links, um dann auf kürzestem Weg über die Straße zu gehen. Wenn möglich, die Straße nur an Ampeln und Fußgängerüberwegen überqueren. An Zebrastreifen Blickkontakt zu den Autofahrern aufnehmen, ebenso auf Fahrbahnteilern.
Mit dem Rad sollten Kinder in den ersten Schuljahren überhaupt nicht zum Unterricht fahren. Selbst wenn sie ihr Rad schon beherrschen, so sind sie im Straßenverkehr dennoch rasch überfordert. Wird mit dem Schulbus der Weg absolviert, dann sollten Eltern dies ebenfalls mit ihren Sprösslingen üben, empfiehlt die ACE-Expertin. Das gilt für den Hin- und Rückweg zur Haltestelle ebenso wie für das Ein- und Aussteigen.
Hanstein: „Immer erst an den Bus herantreten, wenn er zum Stehen gekommen ist und die Tür geöffnet hat. Nach dem Aussteigen warten, bis der Bus weggefahren ist, und erst anschließend die Fahrbahn überqueren. Wenn möglich, am nächsten Fußgängerüberweg oder an einer Ampel.“ Wichtig sei darüber hinaus, dass das Kind rechtzeitig an der Haltestelle ist, damit keine Hektik entsteht.
„Elterntaxi“ nur in Ausnahmefällen
Fungieren Mutter oder Vater als Schultaxi-Chauffeur, gilt – wie sonst auch – die Anschnallpflicht. Kinder bis zum 12. Lebensjahr sollten nach Möglichkeit hinten sitzen; erst ab 1,50 Meter Körpergröße oder ab dem 12. Geburtstag dürfen Kinder den normalen Sitzgurt benutzen. Im Ausland gelten teilweise andere Regeln: In Österreich müssen Kinder, die kleiner als 1,50 Meter sind, beispielsweise bis zu ihrem 14. Geburtstag einen Kindersitz nutzen. „Auch in Deutschland dürfen natürlich nur so viele Kinder mitgenommen werden, wie im Auto gesichert werden können“, erinnert Hanstein.
Darüber hinaus beobachtet Hanstein immer wieder, dass es oftmals die Eltern selbst sind, die mit ihren Hol- und Bringdiensten Kinder aufs höchste gefährden. „Viele Eltern parken in teilweise rabiater Manier Gehwege zu oder lassen ihre Kinder zur Straßenseite hin aussteigen und fahrlässig in den Verkehr laufen.“
Doch nicht nur Eltern, Lehrer und Schulkinder können aktiv zur Sicherheit beitragen – auch der Schulweg an sich ist oftmals verbesserungswürdig: Der ACE hatte 2010 in einer Sicherheitsaktion fast 300 Schulwege gemeinsam mit kommunalen Verkehrssicherheitsorganisationen vor Ort unter die Lupe genommen. Das Resultat: An mehr als jedem zweiten Schulweg in Deutschland gibt es in puncto Verkehrssicherheit etwas auszusetzen.
Neun Prozent der Schulwege sind sicherheitstechnisch sogar mit der Note mangelhaft zu bewerten. Wenn sich Eltern, Lehrer oder auch Kinder mit der Schulweg-Situation vor Ort nicht abfinden wollen, bietet der ACE auf seiner Website unkompliziert und unbürokratisch „Erste Hilfe“.
Der Club hat jetzt einen Schulweg-Ratgeber veröffentlicht. Darin enthalten sind insgesamt 14 Tipps für eine sichere Passage in die Schule. In einer der Empfehlungen heißt es unter anderem: „Kinder mit dem Auto zur Grundschule zu bringen, sollte die Ausnahme sein, denn das ‚Verkehr üben‘ geht so verloren…“. Den Eltern von Erstklässlern raten die ACE-Verkehrssicherheitsexperten: „Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind so selten wie möglich alleine im Straßenverkehr unterwegs ist“. Der Club empfiehlt, mit anderen Eltern „Abholketten“ zu organisieren.
Titelbild © Daiga Ellaby (Unsplash)