Ähnliche Beiträge

------
InterviewsBuchtipp: "Eltern als Team" - Interview mit Autor Birk Grüling

Buchtipp: „Eltern als Team“ – Interview mit Autor Birk Grüling

Birk Grüling ist ein sehr geschätzter Kontakt aus dem Family-Kosmos, denn als Autor taucht er in vielen Online- und Printmagazinen auf. Und auch persönlich hatten wir schon einige immer sehr spannende und lustige Begegnungen. Er selbst ist Papa eines Sohnes und hat mit seiner Frau eine gleichberechtigte Verteilung aller sich daraus ergebenden Aufgaben gefunden. Denn er ist der Meinung, dass sich die Väter zu gleichen Teilen um die Familie kümmern sollten, wie es die Mütter tun. Hier ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Buzzword. Kürzlich hat er zu eben diesem Thema ein Buch verfasst. Darüber wollten wir mehr erfahren. Daher haben wir Birk Grüling ein paar Fragen gestellt.

Sein Buch heißt „Eltern als Team“. Es geht aber nicht nur um die Vereinbarkeit von Job und Familie aus Sicht der Väter. Es geht unter anderem auch um die Vereinbarkeit von „Paar sein“ und „Eltern sein“. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass es oft an Flexibilität fehlt und die Unterstützung für Eltern noch recht starren Vorgaben folgt. So sind auch viele Unternehmen noch nicht so aufgestellt, wie es wünschenswert wäre. Da sieht Birk Grüling die Angriffsfläche für Optimierungen. Aber es fängt bei jedem Einzelnen an. Soviel steht auch fest. Mehr dazu erzählt uns Birk Grüling in unserem Interview.

Hier sind unsere 10 Fragen an Birk Grüling

  1. Lieber Birk, wir zwei kennen uns schon lange, aber verrate doch kurz unseren Lesern, was sie zu dir wissen sollten.

Ich bin Birk Grüling, Papa eines 4,5-jährigen Sohnes, ab August stolzer Hundebesitzer und schreibe als freier Journalist über Wissenschaft und Bildung, am liebsten übrigens für kleine Leserinnen und Leser. Für die schreibe ich auch gerade zwei Kinderbücher, ein Buch randvoll mit Landkarten für Kinder und eins über Dinosaurier. Und im April ist mein erstes Sachbuch „Eltern als Team“ erschienen.

  1. In diesem Buch „Eltern als Team“ geht es im Schwerpunkt um die Vereinbarkeit. Adressierst Du damit speziell die Väter?

Nein, absolut nicht. Ich bin der Auffassung, dass Vereinbarkeit am besten funktioniert, wenn wir als Team arbeiten – in allen Bereichen, also Kinderbetreuung, Haushalt und Beruf. Deshalb ist es ein Buch, das Paare am besten gemeinsam lesen sollten und mit dem sie danach hoffentlich gemeinsam an der Herausforderung „Vereinbarkeit“ arbeiten können.

  1. Für das Buch hast du intensiv recherchiert. Wie ist der Status Quo und inwieweit hat die Pandemie Dinge gebremst oder beschleunigt?

Hier gibt es vor allem zwei Dinge zu beobachten. Einerseits sind wir in Sachen Gleichberechtigung noch lange nicht so weit, wie wir es uns vielleicht erträumt haben. Am Ende war es im Lockdown doch sehr oft so, dass die Mütter den größten Teil des Homeschoolings und der Kinderbetreuung übernommen haben, während die Männer eher noch mehr Stunden im Homeoffice gearbeitet haben. Das Argument eines Rückfalls in die 50er und 60er Jahre ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Anderseits gab es auch positive Beispiele. In manchen Familien haben die Väter plötzlich viel mehr Zeit mit den Kindern verbracht, dank wegfallender Pendelwegen oder weil die Frau in einem systemrelevanten Beruf gearbeitet hat.

Ich glaube, diese Väter werden das große Privileg – nämlich Zeit mit der Familie – nicht mehr so einfach hergeben und auch am Ende der Pandemie, vielleicht häufiger im Homeoffice arbeiten oder sogar Stunden reduzieren. Das ist auf jeden Fall positiv. Außerdem haben viele Unternehmen erkannt, dass Kinderbetreuung und Vereinbarkeit eben doch keine Privatsache sind und unterstützen Mütter und Väter nun stärker – durch flexible Arbeitszeiten oder eine Betriebskita.

Buchautor Birk Grüling
  1. Wir beide sind ja recht engagierte Papas, die sich die Erziehung der Kinder teilen. Sind wir damit die Ausnahme?

Wenn ich in unsere Filterblase aus Medien-Papas schaue, dann sind wir ziemlich durchschnittlich. Wenn wir aber auf die gesamte Gesellschaft blicken, sind wir glaub ich eher in der Minderheit. Das zeigt sich schon in dem Umstand, dass zwar eine große Mehrheit von Vätern mehr Zeit mit der Familie haben will, aber sehr wenige wirklich in Teilzeit arbeiten. Außerdem dominiert immer noch das Anderthalb-Verdiener-Modell, bei dem der Mann das meiste Geld verdient und damit aber auch die meiste Zeit in die Arbeit investiert.

Und sind wir mal ehrlich, wenn ich 40 bis 60 Stunden im Büro verbringe, verpasse ich eben einen großen Teil des Alltags. Deshalb würde ich sagen, es gibt zwar einen wachsenden Wunsch nach Familienzeit, bei der Umsetzung ist noch viel Luft nach oben, gleiches gilt natürlich auch für die Gleichberechtigung. Die Frauen übernehmen immer noch deutlich mehr Care-Arbeit rund um Haushalt und Kinder.

  1. Oft hängen die Möglichkeiten, die Paparolle intensiv auszufüllen, von den beruflichen Rahmenbedingungen ab. Das schränkt die Flexibilität doch ein, oder?

Definitiv. Hier müssen sich alle Beteiligte bewegen und neue Wege finden. Familienfreundlichkeit muss auch ein Thema in der Pflege oder im Handwerk sein. Auch hier braucht es Arbeitszeiten und Löhne, die es ermöglichen genügend Zeit mit der Familie zu verbringen. Auch der große Fachkräfte-Mangel in vielen Branchen kommt dabei erschwerend hinzu, denn der führt auch zu mehr Überstunden und Wochenenddiensten. Hier müssen Betriebe und Politik unbedingt mehr machen. Aber auch wir selbst sind gefragt.

Mein Lieblingsbeispiel dafür ist ein Vater aus einer Krabbelgruppe. Der Facharbeiter war bei einem Maschinenbauer im klassischen Schichtbetrieb beschäftigt. Als seine erste Tochter geboren wurde, wollte er ein aktiver Vater sein. Deshalb übernahm er häufiger die Frühschicht und wechselte zusätzlich in den Wareneingang, eine Abteilung ohne Wochenendarbeit. Nun konnte er die meisten Nachmittage und Wochenenden mit der Familie verbringen – und das in einem Betrieb, der keine Familienfreundlichkeitsauszeichnungen gewinnen würde oder viel Wert auf New Work legt.

  1. Gerade haben wir von einer Studie berichtet, die Deutschland immer noch als Land der Wochenendpapas sieht. Wie können wir den Wechsel anschieben?

Aus meiner Sicht sind zwei Faktoren entscheiden. Wir müssen Teilzeit als Arbeitsmodell stärker, 30 bis 35 Stunden Wochen sind besser für die Gesundheit und mindestens ähnlich produktiv wie eine 50 Stunden Woche. Gleichzeitig müssen wir diese Teilzeit angemessen bezahlen und auch berufliche Entwicklungschancen für Eltern stärken. Und wir müssen gesellschaftlich weg von dem Bild der Übermutter, die sich um alles kümmern muss und soll. Die Frauen müssen Verantwortung abgeben und die Männer endlich mehr ihren Mann in Sachen Haushalt und Kindererziehung stehen.

Wenn beides greift, machen wir einen großen Schritt in Richtung gelebter Gleichberechtigung. Natürlich sind das alles größere Umbrüche in Arbeitswelt und Gesellschaft und ein großer Bruch mit alten Werten. Deshalb können alle anderen, denen das nicht schnell genug geht, nur eins tun: Einfach machen und nach eigenen Wegen aus dem „Wochenendpapa-Dilemma“ suchen.

  1. Wenn der Vater gleichberechtigt miterziehen möchte, muss auch die Mama mitspielen. Gibt es auch da noch Optimierungsbedarf?

Klar, wenn sich die Väter mehr einbringen, müssen die Frauen entsprechend Platz machen. Das ist aber eine beidseitige Herausforderung – die Männer müssen zeigen, dass sie mehr Aufgaben übernehmen wollen und können und die Frauen müssen am ehesten ein Mama-Bild in der Gesellschaft überwinden, das der Frau mehr Kompetenzen in Sachen Kindern und Haushalt zu spricht. Aber diesen Bereich halte ich für das geringste Problem. Die fehlenden Rahmenbedingungen in Gesellschaft und Wirtschaft erschweren Vereinbarkeit deutlich mehr als Mütter, die vermeintlich keinen Platz machen wollen.

Birk Grueling Buch
  1. Andere Länder sind in Sachen Vereinbarkeit schon deutlich weiter. Wo siehst du die dringlichsten Baustellen für die Politik?

Es gibt nicht genug Betreuungsplätze. Oft passen Betreuungszeiten und Arbeitszeiten nicht zusammen. Es wird nicht genug in frühkindliche und schulische Bildung investiert. Es braucht mehr Erzieherinnen und Erzieher und bessere Ausstattung für die Kita. Und dabei geht es gar nicht darum, die Kinder abzugeben, sondern darum Bildungschancen von Anfang an zu wahren. Außerdem sollten Eltern, die gleichberechtigt arbeiten und betreuen, steuerlich begünstigt und nicht durch überholte Modelle wie das Ehegattensplitting bestraft werden. Das fängt übrigens schon bei der Elternzeit an. Auch hier müssen wir die Väter von längerer Elternzeit überzeugen und gleichberechtigt genommene Elternzeitmonate belohnen – zum Beispiel durch mehr Geld.

Außerdem müssen wir endlich den Gender-Pay-Gap überwinden, auch mit politischen Mitteln, zum Beispiel mit der besseren Bezahlung von typischen „Frauenberufen“ in Pflege und Sozialwesen. Wenn Frauen und Männer gleich gut bezahlt werden, fällt die berufliche Gleichberechtigung leichter und bleibt kein Luxus von Akademikern in der Großstadt.

  1. Wo ist der Anfang für Veränderung: im Kopf der Menschen, in der Gesellschaft, auf Seiten der Arbeitgeber, in der Politik – oder ganz woanders?

Naja, die schnellsten Veränderungen geschehen in kleinen Strukturen und das ist eben die Familie. Wir können sehr viel in Sachen Vereinbarkeit und Gleichberechtigung tun, und das ist ein guter Anfang. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich auch lauter unsere Standpunkte einfordern, bei der Wahl im September entsprechend entscheiden und damit auch die Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft anregen.

  1. Hast Du zum Abschluss vielleicht gleich einen konkreten, handfesten Tipp für die Väter? Alles weitere erfahren sie dann ja in deinem Buch.

Ich tue mich schwer mit Tipps für Eltern, dass überlasse ich anderen Autoren. Vielleicht nur so viel: Verbringt so viel wie möglich Alltag und Zeit mit euren Kindern. Die Zeit kommt nicht zurück und sie werden sehr schnell groß. Das klingt wie Phrasen, ist aber total wahr. Und vielleicht damit verbunden, versucht ruhig auch selbst Kind zu bleiben und erlebt nochmal gemeinsam mit dem Nachwuchs Abenteuer – egal ob im Kinderzimmer oder im Wald.

Lieber Birk, vielen Dank für die spannenden Infos und die vielen Impulse. Wir hoffen sehr, dass immer mehr Väter sich des Themas der Vereinbarkeit annehmen und so noch präsenter für ihre Kinder sind. Dir weiterhin viel Erfolg bei deinen Projekten.

Birk Grüling findet ihr auf Twitter und Instagram. Und hier gibt es Texte von Birk Grüling. Außerdem betreibt Birk Grüling mit Rene Weinmann den Podcast „Serial Dads„. Und hier findet ihr noch weitere lesenswerte Bücher für Väter.

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel ist Patchwork-Dad von drei Kindern, die eigene Tochter Mika ist im April 2012 geboren. Der Hamburger ist Online-Publisher und betreibt neben Daddylicious auch das "NOT TOO OLD magazin" inklusive Podcast. Außerdem schreibt er für ein paar Zeitschriften und Magazine und hilft Kunden und Agenturen als Freelance Consultant. Nach dem Job entspannt er beim Laufen oder Golf.

Beliebte Beiträge