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L wie Leipzig, lebendig und Lust auf mehr!

Unsere Gastautorin Anna war wieder „on tour“, dieses Mal hat sie mit der Großfamilie die schöne Stadt Leipzig besucht. Hier ist ihr Reisebericht:

…und L wie „leider nur ein Wochenende“, denn „Hypezig“, die kleine Schwester meiner Heimatstadt Berlin, hat mich und meine Familie total begeistert!
Schon bei den Vorbereitungen zu diesem Wochenende ahnte ich, dass Leipzig mir gefallen würde. Industriekultur und Messestadt, Völkerschlachtdenkmal und Bach-Stadt, Goethes Faust und Auerbachs Keller und natürlich die friedliche Revolution von 1989 … die Liste ließe sich beliebig verlängern. Klar war also, dass wir eine Auswahl treffen mussten, und die sollte nicht nur in 48 Stunden passen, sondern auch den Kindern Spaß machen.

Leipzig bei Nacht

Und so sah unser Wochenende dann aus:

Freitagabend

Ein erster Spaziergang durch die Leipziger Mitte führt uns schon an einigen Top-Sehenswürdigkeiten vorbei: Am Augustusplatz stehen sich Gewandhaus und Oper gegenüber, flankiert werden sie vom Augusteum und dem Paulinum, das Aula und Universitätskirche in einem ist – eine spannende Mischung. Die Kinder hören zwar mit einem Ohr zu, als wir erzählen, dass die alte Kirche unter dem DDR-Regime gesprengt wurde und dass das neue Uni-Gebäude an diese Kirche erinnert, eigentlich schenken sie ihre Aufmerksamkeit aber den Skatern, die hier waghalsige Sprünge und Moves machen. Die Nikolaikirche und der zugehörige Kirchhof, wo 1989 die Friedliche Revolution ihren Anfang nahm, sind nur ein paar Schritte entfernt.

Eine Straßenecke weiter wartet der Markt mit dem Alten Rathaus, der Alten Börse und dem Zeitgeschichtlichen Museum (das wir uns gedanklich für die nächste Reise notieren). Mittlerweile ist es dunkel geworden, alles leuchtet und meine Kinder lockt weniger die Mädler-Passage mit Auerbachs Keller, in dem Faust schon gespiesen hat, als der helle Schriftzug der Milchbar Pinguin, der köstliches Eis verspricht. So gestärkt geht es zum letzten Highlight des Tages, das seinem Namen alle Ehre macht: 142,5 Meter hoch hinaus fahren wir mit dem Fahrstuhl auf den Panorama Tower, von wo aus sich ein gigantischer Blick über die ganze Stadt bietet. Wow – finden auch die Kinder. Fazit des Tages: Die Leipziger Mitte ist wirklich gut zu Fuß machbar.

Leipzig Milchbar

Samstagvormittag

Nach der vorabendlichen Runde durch die City wollen wir Laune und Beine der Kinder nicht überstrapazieren und gönnen uns eine Tour mit den blau-gelben Hop-on-Hop-off-Doppeldeckern. In der Goethestraße, gegenüber vom Hauptbahnhof, geht’s los, Richtung Zoo und Gohliser Schlösschen. Hier erfahren wir, dass Leipzig die Hauptstadt der Schrebergärten ist, was es Dr. Moritz Schreber zu verdanken hat, dem zu Ehren der erste Schreberverein gegründet wurde. Südlich des Leipziger Auwalds liegt das Waldstraßenviertel, Deutschlands größtes zusammenhängendes Gründerzeitviertel – wunderschön. Beim nächsten Mal will ich hier unbedingt aussteigen, dieses Mal aber verhindert es ein Kinder-Veto. Die werden dafür ganz zappelig, als wir die Red-Bull-Arena passieren.

Doch auch hier bleiben wir sitzen. Zu gerne hören wir den sympathisch-sächsischen Erzählungen unserer Reiseführerin zu: Wir fahren durch Plagwitz, ein altes Industrieviertel, das Zeuge der Industrialisierung der Stadt ist und Leipzigs Ruf als Deutschlands lässigste Großstadt geprägt hat. Wo einst Baumwolle gesponnen wurde und Schlote geraucht haben, Erz gegossen, geschmiedet und geschweißt wurde und tausende Arbeiter ihr Tagwerk vollbracht haben, haben jetzt Künstler und Designer ihre Ateliers, Start-ups ihre Räume und Manufakturen. „Jetzt steigen wir aber aus!“ Schnell das Knöpfchen gedrückt und raus mit uns. Auf der Karl-Heine-Straße ist immer etwas los. Sie führt vom Clara-Zetkin-Park bis zum Bahnhof Plagwitz und ist die Lebensader des Leipziger Westens.

Hier reihen sich Bio-Läden, Event-Locations und coole Bars an Clubs und Restaurants, die zu hausgemachter Basilikum-Gurken-Limo und Co. einladen. Uns gefallen die Beard Brothers & Sisters, die uns die besten Hot Dogs ever verkaufen. Gemütlich sitzen wir vor dem kleinen Laden auf Kisten und genießen das Treiben. Zurück im gelb-blauen Doppeldecker geht es weiter gen Bootshaus Klingerweg. Die großartigen Industriebauten aus solidem Backstein – umgebaut zu Lofts, Restaurants oder Ateliers – lassen sich vom Wasser aus besonders gut bestaunen.

Auch für dieses Erlebnis fehlt uns heute die Zeit, aber wir nehmen eine Tour mit dem Paddelboot auf die Liste für das nächste Mal. Unser Bus passiert das Musikviertel, das als Ensemble unter Denkmalschutz steht. Die Häuser und Villen, zum Beispiel das Roßbach-Eckhaus und die Bibliotheca Albertina, stammen aus der Gründerzeit und sind wunderschön. Auch diese Straßenzüge sind einen eigenen Spaziergang wert (nächstes Mal!!).

Leipzig Fast Food

Samstagnachmittag

Der Bus biegt rechts ab auf die Karl-Liebknecht-Straße, liebevoll Karli genannt. Sie führt durch Connewitz und die Südvorstadt und ist eine der szenigsten Meilen der Stadt. Hier reiht sich Restaurant an Restaurant, hier wird gefeiert und gechillt. Wir steigen aus und schlendern über das Gelände der ehemaligen VEB Feinkost, wo abends die Löffelfamilie leuchtet. Die 12 x 7 m große Leuchtreklame stammt noch aus Honeckers Zeiten und ist der Inbegriff von retro. Wo nach dem 2. Weltkrieg Konserven produziert wurden, findet man heute ein Sommerkino, Flohmärkte und Co.

Die Kinder bestaunen die Wände, die mit Graffiti und Street-Art übersät sind, machen unzählige Fotos und lieben die große Halle von Goldstein Interieur, wo Industriedesign auf Alltagsmöbel trifft. Aber es heißt zurück in den Bus: Vorbei am mdr-Gelände und dem Panometer (da geht es am Sonntag nochmal hin) fahren wir zu Leipzigs meistbesuchter Sehenswürdigkeit: dem monumentalen Völkerschlachtdenkmal. Gebaut 1913 erinnert es an das Jahr 1813, in dem Napoleons Truppen hier in einer martialischen Schlacht besiegt wurden.

Mit einer Höhe von 91 m ist es das höchste Denkmal Deutschlands. Wir dürfen nicht bis ganz nach oben (501 Stufen), aber schon die Runde auf dem mittleren Außenrundgang beschert uns einen tollen Panoramablick auf Leipzig. Und auch die Kolossalfiguren in der Ruhmeshalle sind gigantisch. (An der Kasse gibt es übrigens ein Rätselheft für Kinder). Danach sind wir platt und der Bus bringt uns ins Hotel, wo wir uns kurz ausruhen, um am Abend noch einmal loszuziehen.

Leipzig Loeffelfamilie

Samstagabend

In der Gottschedstraße war Mitte der 90er Jahre alles grau in grau. Binnen zwei Jahren aber wurde die Straße zur Kulinarikmeile. Heute servieren hier rund 20 Läden auf wenigen hundert Metern vietnamesische, mediterrane oder amerikanische Küche. Wir kehren eher zufällig ein in die Luise, die sich als das Herz der Straße herausstellt, und fühlen uns pudelwohl.

Sonntagvormittag

Heute kehren wir an zwei Orte zurück, an denen wir mit dem Bus schon vorbeigekommen sind: Für den Vormittag steht das Panometer im Leipziger Süden auf dem Programm. Der alte Ziegelsteinbau entstand am Anfang des 20. Jahrhunderts, diente bis in die 70er Jahre als Gasspeicher und inspirierte nach der Wende den in Sachsen aufgewachsenen Yadegar Asisi. Er verwandelte das Gasometer von Connewitz in ein Panometer, das auf 32 m hohen Wänden wechselnde 360-Grad-Ansichten ganz unterschiedlicher Orte und Ereignisse zeigt. Rasch erklimmen wir mit den Kindern die 15 m hohe Besucherplattform und befinden uns schon mittendrin in Carolas Garten, der aktuellen Ausstellung.

Auf der 3200 qm großen Leinwand erleben wir eine 15-minütige Tag- und Nachtsimulation samt der passenden Hintergrundgeräusche. Wir sind plötzlich klein wie ein Insekt und sehen eine gewöhnliche, alltägliche Szenerie plötzlich mit anderen Augen. Da rückt der Kelche einer Blüte, das Auge einer Biene und ein blauroter Plastik-Kipplaster in den Fokus der großen und kleinen Betrachter. Die Führung für Kinder haben wir leider verpasst, aber auch so ist das Panometer total beeindruckend – auch wegen der überdimensionalen Insektenmodelle, die im Ausstellungsraum gezeigt werden.

Leipzig panometer

Sonntagmittag

Auf den letzten Programmpunkt habe ich mich besonders gefreut, für den wir wieder nach Plagwitz fahren – dieses Mal mit der Straßenbahn. Im Kunstkraftwerk Leipzig warten zwei große postindustrielle Hallen mit mehr als 54 Hightech-Beamern und 30 Lautsprechern auf uns. It’s Showtime! Wir betreten die dunkle Halle, an den acht hohen Wänden flimmern Bilder von van Gogh rundum, auf dem Boden zeigen uns Leuchtkreise, wo wir uns hinsetzen oder -legen können. Zu extra dafür komponierter Musik tauchen wir ein in die leuchtenden Farben der expressiven Kunst van Goghs. „Das ist doch der mit dem Ohr“, flüstert mein Sohn mir zu, verstummt aber sofort wieder, so sehr zieht ihn die Kunstinstallation in den Bann. Wir liegen auf dem kalten Boden und merken gar nicht, wie die Zeit vergeht. So gefällt Kunst auch Kindern.

Leipzig Kunstkraftwerk

Finale in Leipzig

Zum Abschluss unseres Wochenendes in Sachsens Hauptstadt finden wir uns auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ein, am südlichen Rand der Innenstadt. Hier gibt es auf dem Street Food Festival Delikatessen aus aller Welt von der Hand in den Mund. Jedes Kind sucht sich am Stand seiner Wahl sein Lieblingsfood und findet Leipzig großartig. Als alle danach unbedingt noch Bungee-Trampolin springen wollen, drücke ich erfolgreich die Daumen, dass die Burger, Wantans, Fritten und Kötbullar bei den vielen Salti und Drehungen nicht wieder rauskommen. Um 15.00 sitzen wir alle im IC nach Hannover und sind uns sicher, dass wir wiederkommen wollen. Denn obwohl wir viel gesehen haben, muss ich feststellen, dass wir noch viel mehr nicht gesehen haben …

Kind auf dem Trampolin

Liebe Anna, vielen lieben Dank für den tollen Reisetipp. Wir selbst haben auch schon wunderschöne Ecken im eigenen Land entdeckt. Daher können wir jedem nur empfehlen, auch mal einen Abstecher nach Leipzig zu machen.

Anna Schuetz
Anna Schuetz
Anna ist als Autorin für Reisen, Lifestyle und Familienthemen nach Stationen in Berlin, Köln, Paris und München mit ihrer Familie in Hannover gelandet. Und obwohl selbst ohne y-Chromosom zur Welt gekommen hat sie ausreichend Erfahrung mit Testosteron: Drei ihrer vier Kinder sind echte Jungs, und auch ihre Tochter lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Darin ähnelt sie ihrer Mutter, die durchaus noch Augen hat für das, was es links und rechts von Wäschebergen zu entdecken gilt.

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