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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Der Kartoffelheld“

Nesthäkchen Oskar ist uns allen ja mittlerweile wohlbekannt als angehender Kleine-Welt-Musiker und quasi diplomierter Tanzlehrer. Wir wissen außerdem Bescheid über seinen wiederholt unstillbar scheinenden Hunger, der unter anderem in Gesichtsverrenkungen zum Ausdruck kommt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Zumindest jener Teil der Welt, der es gewohnt ist, sich sterbenslangweilig auszutauschen zu den Themen Hunger, Appetit und allem, was Hunger und Appetit von vornherein nicht ausschließt. Was aber noch nicht verbal in weder diesen noch in andere Teile der Welt gesetzt wurde: Oskar jagt Kartoffeln hinterher, um sie dann zwischen Kochtopf, Pfanne und Babypfanne interagieren zu lassen. Das erzeugt recht originelle Bilder im Kopf des Betrachters, so dieses hier: Kartoffeln können sich nicht wehren, und für Laufkartoffeln fehlt schlichtweg eine an flexiblem Gemüse orientierte Infrastruktur.

Also muss man ihnen notgedrungen helfen. Das kann dadurch geschehen, dass man sie vorsichtig dahin zurücklegt, wo sie sich ursprünglich in Sicherheit wiegten. Ein Netz kommt dafür in Betracht, oder eine Plastikschüssel. Und dann dafür sorgt, dass Oskar da nie und nimmer mit seinen zarten Griffeln hinreicht. Hätten wir einen richtigen Kartoffelkeller, die essbaren Feldfrüchte müssten gar nicht erst auf unser Mitleid setzen. Und überhaupt, Mitleid: Kennt Oskar ja auch nicht, wenn er Schlaf mit Hauptwehwehzeiten verwechselt. Einmal W für „Wunderbar, was mir alles einfällt, um mich auch nachts nicht in Vergessenheit geraten zu lassen!“, und das andere W für „Weia, schon wieder nicht das 15.000 Kalorien-Limit erreicht. Und dann erzählt mir ständig wer, dass ich dafür bereits in den frühen Morgenstunden Anlauf nehmen müsste…!“.

Keinen blassen Schimmer von Landwirtschaft oder wenigstens von Paprikachips, und doch dreht sich Oskars Leben oft viele Minuten lang um die Kartoffel – als willfähriges Produkt bodenständiger Unterhaltung. Im Prinzip muss man ihm nichts anderes mehr hinstellen oder anbieten als eine überschaubare Ladung Kartoffeln, um die sich rührend zu kümmern ihm Auftrag und Offenbarung ist. Gibt man ihm noch einen Schöpflöffel dazu, ist das ganz kleine Glück perfekt. Sichtlich konzentriert fischt er damit Kartoffeln aus dem einen Behälter, um sie einem anderen, danebenstehenden anzuvertrauen. Klappt das versehentlich nicht, riskiert er schon mal den großen Wurf. Ich gebe aber auch eine prima Zielscheibe ab. Oder Leopold. Der in verängstigter Erwartung eines infam und eiskalt kalkuliert erfolgten Kartoffelangriffs richtig laut werden kann. Dann aber darauf verzichtet, weil er noch viel lauter werden kann, wenn man ihn doch ernsthaft darum bittet, die ihr Ziel verfehlenden Kartoffeln bitteschön aufzuheben.

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Oskars Leben mit Kartoffeln fängt oft schon kurz nach seinem Frühstück an, noch ohne Zutaten aus Kartoffeln, aber immerhin solchen aus der Landwirtschaft. Das sei meistens gesund, sagen die, die gar nicht wüssten, woher sie ihr Essen überwiegend sonst beziehen sollen. Mich selbst zähle ich ebenfalls dazu, auch wenn ich mich der Herkunft von was zu Mampfen recht aufgeschlossen zeige. Ein saftiger Bio-Burger zum Beispiel kann ruhig von einem Rind sein, dass sich selbst eine Wohnung im Grünen gesucht hat. Mit einem Fitnessraum, um sich in Form zu halten bis zur endgültigen Bestimmung. Und von mir aus auch noch mit einem Umkleidezimmer, sollte der Appetit plötzlich auf Huhn umschwenken. Umkleidezimmer ist natürlich nur ein Euphemismus, Umschlagplatz für spontane Mutationen und genetisches Crossover trifft es da schon deutlich besser…

Also Oskars Leben, nein, Oskars Lebensabschnittbeziehungen zu Kartoffeln gestalten sich bereits am Morgen konstruktiv und fair. Er begegnet ihnen stets auf Augenhöhe. Was wohl dazu beiträgt, deren Flugbahn eher günstig für Mensch und Ding zu berechnen. Zuverlässig müssen Pfandflaschen, Eierbecher oder Verpackungen mit Nudeln oder Reis dran glauben. Nun sind Nudeln und Reiskörner gewiss keine geeigneten Objekte kindlicher Beschäftigung in Phasen der Versenkung in das selbstbestimmte Spiel. Das sind – man muss es so unverblümt sagen – Lebensmittel. Sie also unvermittelt freizugeben für gelegentlichen Beschuss sollte das Äußerste sein, was ihnen angetan werden darf. Doch Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel: Kartoffeln erfüllen nämlich einen wichtigen pädagogischen Zweck. Dem werden sie gerecht, indem sie sich in dafür auf den Küchenboden hinabgezogenen Behältern austauschen. Sorge dafür trägt Oskar. Und wer weiß: Laufen die sich noch zusätzlich heiß, werden vielleicht sogar Pommes daraus. Könnte er letztlich glatt noch behaupten, (aus) den Kartoffeln irgendwie Beine gemacht zu haben…

Fotos: oben © Fotolia (olyapon) // unten © Pixabay (Ande_Hazel)

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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