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Mit Baby allein zu Haus – ein Erlebnisbericht

Jaja, die modernen Zeiten, Emanzipation, und so… Obwohl eigentlich noch in Elternzeit, wollte mein Weibchen mal eben zwei Tage auf ne Messe fahren. Kopenhagen. Modebranche. Fancy shit. „Mal wieder ein bißchen updaten. Checken, was so los ist.“ Is ja verständlich. Man muss außerdem dazu sagen: meine Frau hat, im Gegensatz zu mir, was Vernünftiges gelernt und soll mit ihrer BWL-Kenne, sollte es mal hart auf hart kommen und Vatti im Job verkacken, schließlich die Familie ernähren. Wie ich bereits erwähnte: moderne Zeiten, Emanzipation, und so.

Meine Frau ist schon längst durch die Tür, als Papa und das kleine Zuckermäusken das erste Mal die Augen auf bekommen. Ab dem Moment aber dreht die Maschine sofort auf Hochtouren. Nix mit „och, mach du mal,“ jetzt wird´s ernst. Zuckermäusken begrüßt mich durch die weißen Gitterstäbe direkt mal mit ihrem schönsten Lächeln, welches durch ihren mittlerweile dritten Zahn noch einmal königlicher erscheint, als sowieso schon. Ein Lächeln zurück, so wie man wahrscheinlich nur Babies, und dann auch nur sein eigenes, anlächelt: Irgendwie ein bißchen degeneriert, weil komplett überkandidelt. Raus aus den Federn, Pulle machen.

Fünf Löffel Aptamil, 180mm entkalktes Wasser drauf, nicht zu heiß. Check. Während Ette mit großen Augen an dem Gumminuckel saugt, rattert´s weiter im Oberstübchen: bloß nix vergessen. Denn darin bin ich leider gut. Trotzdem mal eben runter mit dem Puls und den Moment genießen, weil: die kleine Raubtierfütterung, besonders morgens und abends ist für mich immer eins der Highlights im Zusammensein mit meiner Tochter. Wie sie so friedlich in meinen Armen liegt und mich dabei mit ihren großen Kulleraugen anguckt, während sie mit ihrem neu erlernten Pinzettengriff an meinen Härchen am Unterarm zupft – magische Momente.

Rülps, pups, Windeln wechseln. Von Anfang an kein Ding gewesen, obwohl ich zugeben muss, dass das einer jener Dinge war, vor denen ich mir im Vorfeld am meisten in die Buchse gemacht habe, um mal beim Thema zu bleiben. Fertig. Was war? Ach ja, nicht zu warm anziehen, in der Kita isses immer ordentlich muckelig. Ich parke die Kleine im Laufstall, denn sie kann mittlerweile robben, was bedeutet, dass nichts in Bodennähe mehr sicher vor ihr ist.

Papa hastet ins Bad. Dies, das, jenes. Fertig. Ich hatte mir vorgenommen, vorher „noch eben“ ein Angebot zu schreiben. Guess what..? Immerhin reicht´s noch für ein Telefonat mit einem Kunden. „Nimm den Beutel mit dem Windelzeugs und den Sachen zum Wechseln mit,“ höre ich´s leise aus Dänemark rüberhallen.

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Ich tüdel´ die Kleine zunächst in den Winteranzug, anschließend mich in Schuhe und Jacke, und lege dann die Manduka an. Das heißt, ich versuche es. Denn irgendwie stelle ich mich schuselig an. Vielleicht weil ich, is klar, schon viel zu spät dran bin, und bekomme den Verschluss im Nacken nicht zu. Ich klingel also bei unseren Nachbarn. Ah, sehr gut, jemand zu Hause. Verständnisvoll mütterlich, hilft Karin mir beim Festzurren des Marschgepäcks. „Dank Dir, tschüss!“ Noch die Mütze. Jetzt aber los! Wohl und Wehe am Weg zur Kita ist, dass es nur eine 5-Minuten-Angelegenheit ist.

Allerdings ist Zeit bekanntlich gasförmig und entsprechend spät macht man sich am Ende auf die Socken. Ankunft 8:57 Uhr. Passt doch. Wie war der Pin vom Kita-Tor noch mal? Ach ja, bsssssst! Da ich zum ersten Mal da bin und unser Töchterchen sowieso noch in der Eingewöhnung, darf ich für eine Stunde bei der Gruppe bleiben. Hollarütti, was hier los is?! Ich kann gar nicht hingucken: Eins der kleinen Mädchen hüpft vergnügt auf der dicken Turnmatte rum, das Ganze nur wenige Zentimeter mit dem Kopf vom Fensterbrett entfernt. Boing boing. Das Fensterbrett. Zwei andere Prinzessinnen nutzen das Ding als Sprungturm: „Eins, zwei, vier!“ Ah ja, verstehe…

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Es kommt, wie es kommen musste: die eine springt der anderen ordentlich ins Kreuz. Das Geschrei ist groß und mir läuft´s kalt den Rücken runter. Was hier wohl noch so alles abgeht, wenn ich nicht da bin? Mann mag gar nicht dran denken. Im gleichen Moment haut Bruno meiner Tochter einen Bauklotz ins Gesicht. Einem tiefen Atemzug und einem sich immer mehr verzerrendem Gesicht folgt ein herzzerreißender Schrei.

Ich glaube, ich heule auch gleich los. Gott sei Dank war der Schreck scheinbar größer als der Schmerz. Erzieherin Jana erklärt Bruno, dass man so etwas nicht tut. Bruno guckt bedröppelt aus der Wäsche, während mein kleiner Sonnenschein schon wieder vergessen hat, was einen Augenblick vorher passiert ist und robbt bereits neugierig auf das nächstbeste Kuscheltier los.

Unter zahlreichen komischen Szenen – von Lore sieht man die gesamte Zeit nur ihren Windelhintern aus dem Regal gucken, während sie da drin ganz offenbar Höchstinteressantes erkundet und dabei leise vor sich hin brabbelt – vergeht die Stunde wie im Flug. Ich denke an das Angebot, was ich noch schreiben muss, und bekomme langsam Hummeln im Hintern. Ich packe mein Töchterchen wieder ein, was sich bei den wohligen Temperaturen als schweißtreibende Angelegenheit entpuppt. Check. Nach Hause. Alle und alles wieder aus- und abtüdeln. Kaffee! Derweil meldet die Kleine Appetit an. Was steht mittags noch mal auf dem Speiseplan?

Ach ja, eingekochtes Gemüse, sozusagen im Zeitstrahl von Mama für den verplanten Papa auf der Anrichte aufgereiht. Aus der Flasche füttern, ist eine Sache, mit Löffel die andere. Jedenfalls fliegt die Pampe tief und insgesamt ist die Diskrepanz zwischen dem, was im Mund und eben woanders landet, ziemlich ersichtlich. Mund abputzen. Mag sie gar nicht. Einmal rülpsen, bitte. Ahh!! Hätte ich nicht besser intonieren können. Zeit für den Mittagsschlaf. Rein in den Schlafsack, ab ins Bett, Ruhe im Schiff, Licht aus. Klappt. Puh. Äh, was? Ach ja, das Angebot…

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1 1/2 Stunden Arbeit müssen reichen, denkt sich zumindest die Mensch-gewordene beste Tat meines Lebens. Wieder raus aus dem Schlafsack, ein bisschen kraulen, ein bisschen kitzeln, ein paar Faxen. Man tut eine Menge, um seinem Nachwuchs ein Lächeln abzutrotzen. Ich nehme sie mit rüber ins Esszimmer, das ich als mein Home Office nutze, lege sie in den Laufstall auf warte auf die Reaktion. Ah, sie scheint zumindest nicht ungehalten, ob der neuen Situation. Ich schreibe Mails, telefoniere.

„Hallo, haben sie schon einen Blick auf mein Angebot werfen können..?“ Rassel rassel. „Hm, wie war der Betreff von der Mail noch mal?“ Jaul, kreisch. „Ja, der Termin nächste Woche steht.“ Glucks, piep. So geht das etwa zwei Stunden lang, bis der kleine Sonnenschein sich ganz offensichtlich nicht mehr ausreichend unterhalten fühlt. Als gutes Rezept dagegen hilft meistens ein Spaziergang. Also einmal mehr das Tüdel-Vollprogramm abfahren und raus auf die Straße.

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Im Kinderwagen bekommt unser Töchterchen dann gerne mal diese etwas gespenstische Teilnahmslosigkeit. Naja, jedenfalls sehr viel besser als der Krawall-Modus. Mal eben in den Streetwear-Shop rein. „Wir hätten hier schon längst so ne Rampe hingebastelt, aber das hat das Ordnungsamt verboten.“ Wie jetzt? Rückweg. Ich überlege, für abends ein paar Kumpels zu Fifa 15 und Pilsbier einzuladen, schließlich habe ich sturmfrei. Quasi. Der Abendbrei ruft: Gries oder Dinkel. Gries ist ziemlich süß, das wäre auch was für mich. Anschließend müde spielen: Plastikeisenbahn mit Sound-Features, der singende Würfel, ausrangierte Fernbedienungen, bunte Wäscheklammern, im Fliegergriff durch die Bude bis der Rücken nicht mehr will, und das Ganze noch mal von vorne.

Wickeln, Schlafsack, Pulle (groß!) fertig machen, ins Bett, die Kleine auf den Schoß. Pulle an den Hals. Seit kurzem lasse ich beim Fläschchen geben das Leselicht an, bis sie fast leer ist. Dieser Moment braucht alle Sinne, finde ich. Ich zwinge mich, nicht darüber nachzudenken, was ich heute alles nicht geschafft habe und erfreue mich an diesem innigen Augenblick. Bei aller Action und mitnichten dem Wunsch, dass dies ein Dauerzustand sein möge: solche Tage, an denen man sein Kind ganz für sich hat, haben etwas ganz Besonderes und schweißen einen irgendwie noch enger zusammen. Ich werde ein wenig sentimental.

Wie immer eigentlich bei diesem Ritual. Einige Minuten, bevor die Kleine das Fläschchen komplett weggezogen haben wird, lösche ich das Licht und beginne, ihr etwas vorzusingen: „Lalelu…, Guten Abend, gute Nacht…“ Ich habe die Zeile „Wenn Gott will“ rausgenommen bzw. umgedichtet. So eine räudige Passage; welcher Prügelpastor auch immer sich damals so einen Scheiß hat einfallen lassen? Die Flasche ist leer, worüber Engelchen zunächst ziemlich ungehalten reagiert. Ein Bäuerchen und ab ins Kinderbettchen. Küßchen, „ich-hab-dich-lieb!“, schleich, schleich, Tür zu.

Schreibtisch. Zwei, fünf Mails, dieses, jenes. Telefon. Meine Frau. „Hallo!“ Die Skandinavier fänden es momentan total hip, alles und allem deutsche Namen zu geben – der Berlin-Hype. Aha?! Sauteuer sei es, aber die Leute hier hätten alle einen guten Geschmack. Und überhaupt sei die Stadt sehr schön, müssten wir mal zusammen hin. Wir drei, oder wir zwei..? Wie ich mit „ihr“ klar gekommen sei? Wunderbar! Nix geschafft heute, aber ansonsten alles gut. Denke ich noch so. Nachdem wir unser Telefonat beendet haben, schaffe ich es noch so gerade, mir etwas zu essen reinzuzwängen, da steht die Kleine schon wieder senkrecht im Bett.

Also im übertragenen Sinne, denn sie kann ja noch gar nicht stehen. Also noch ne Pulle, eine kleine diesmal. Leider hält auch die nicht lange vor. Es ist mittlerweile halb 9 durch. Gut, dass ich die Jungs nicht angerufen habe. Obwohl die den Kühlschrank auch ohne meine Hilfe leer gemacht hätten. Ich nehme die Kleine mit ins Esszimmer, lege sie wieder in den Laufstall und versuche noch ein bisschen zu arbeiten. Klappt so mittelmäßig, weil die Quengelei nicht wirklich weniger wird. Bleibt nur noch die Asi-Methode – richtig: die Glotze! Ich schalte auf „Alle Spiele, alle Tore“ (Vatti hat Sky! ;-)) und, ja, nicht nur auf mich hat das Grün des Rasens eine beruhigende Wirkung.

Und wie wir beiden so nebeneinander auf den Fernseher starren, fehlt eigentlich nur noch, dass Zuckermäusken in diesem Moment ihre ersten Worte spricht. So was wie, „das war doch Abseits,“ oder so. Der nächste Versuch isses dann, meine Süße verabschiedet sich ins Land der Träume. Ich helfe mit dem Grün noch ein bisschen nach, in dem ich mir erst mal einen Halben aufmache. Morgen das Ganze noch einmal von vorne, bevor Mama abends nach Hause kommt. In dieser Nacht wird meine Tochter übrigens zum ersten Mal durchschlafen – keine schlechte Bilanz für einen Daddy allein zu Haus.

Carsten Bauer
Carsten Bauer
Carsten Bauer ist Vater einer Tochter, verheiratet und lebt in Berlin. Der gelernte Werbefachwirt ist außerdem Mitgründer von SOLO, einer Medien-Plattform für Skateboard-Kultur.

2 Kommentare

  1. „Rein in den Schlafsack, ab ins Bett, Ruhe im Schiff, Licht aus. Klappt.“
    Mein ganzer Neid begleitetet Sie.
    Ich kenne das so: sitze singend wippend auf dem
    Gymnastikball (Kind in der Trage) oder, alternativ: Tour mit dem Kinderwagen (auch hier nix mit Angebot schreiben 😉 wo das Mustertöchterchen natürlich erst dann einschläft nachdem man(n) mind. 1 Std. durch die Nachbarschaft gezogen ist, mal dringend nen Bio-break bräuchte und gerade die Haustür ansteuert. Also nochmal 1 h weiter laufen.

    • Hallo Pepe,

      vorab: kannst mich gerne duzen. Dass unsere Kleine momentan nach der Kita so müde ist, liegt daran, dass sie dort (noch) nicht schläft – dafür aber die anderen Kinder vor Ort auf Trab hält… Wenn sie erst mal einen ordentlichen Mittagsschlaf in der Kita hinbekommt, will sie anschließend zu Hause sicherlich auch bespaßt werden. Abends/nachts mit dem Kinderwagen durch den Kiez, habe ich auch schon alles gemacht. Im Moment macht sie wieder einen Schub – zieht sich überall hoch, kann fast stehen – und sie lässt anmerken (auch mehrmals nachts…), dass sie ihre derzeitige Entwicklung nicht ganz einordnen kann. Will sagen: auch hier herrscht gerade Schlafmangel. Am Ende bleibt´s dabei: Kinder an die Macht! Lg, C.

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