Die VAPRO-Studie zeigt den Status Quo der Vaterrolle und der Vereinbarkeit. Von dem Patriarchat, also einem dominanten männlichen Oberhaupt, sind wir in heutigen Familienmodellen zum Glück weit entfernt. Und trotzdem sind oft die Väter oft noch die Ernährer oder sogar die Alleinverdiener in den Haushalten. Das erklärt sich zum Teil auch durch das Gender-Pay-Gap, aufgrund dessen Männer in der gleichen Position mehr verdienen als die Frauen. Was aber wollen denn eigentlich die Papas von heute? Das wollten Sozialwissenschafter*innen der Technischen Universität Braunschweig und der Fachhochschule Kiel herausfinden und haben eine Studie mit dem Titel „VAPRO – You don’t need to be Superheroes“ aufgesetzt. Wir bereiten die Ergebnisse für euch auf.
Wie der Titel der Studie schon vermuten lässt, sollen und wollen die Väter von heute weder nur der Ernährer noch ein Superheld sein. Aber wie wünschen sie sich die Vaterrolle, wie sind die Aufgaben verteilt, wie wird Elternzeit genommen und wo klafft die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit am größten? All das wird in der wirklich sehr umfangreichen Untersuchung deutlich. Der Buzzword Vereinbarkeit wird derzeit heftig diskutiert. Daher hat uns natürlich auch sehr interessiert, was die Papas denn auf die Fragen antworten.
Infos zur VAPRO-Studie
Um repräsentative und valide Ergebnisse zu erhalten, befragte das Team um Projektleiterin Dr. Kim Bräuer von der TU Braunschweig und Prof. Dr. Kai Marquardsen von der Fachhochschule Kiel insgesamt 2.200 Väter online. Außerdem führten sie 55 qualitative Interviews durch. Das Augenmerk lag neben rechtlichen und biologischen Vätern auch auf Pflegevätern, Vätern in Co-Parenting-Konstellationen und homosexuelle Väterpaare. Außerdem wurden nicht nur die Männer selbst befragt, sondern auch die (Eigen-)Darstellung von Vaterschaft in sozialen Medien analysiert.
You don’t need to be Superheroes
Noch in unserer eigenen Kindheit gab es die eher distanzierten Papas, die am Wochenende mit ernstem Blick hinter Sonntagszeitung vorbeigeguckt haben, die Erziehung und die Aktivitäten mit den Kindern aber lieber der Mama überlassen haben. Wir hier auf Daddylicious trommeln ja auch seit fast zehn Jahren dafür, dass immer mehr Väter Elternzeit nehmen, vielleicht sogar die Arbeitszeit reduzieren und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten intensiv an der Hausarbeit und dem Großziehen der Kinder beteiligen. Denn tatsächlich werden die Kleinen wahnsinnig schnell groß. Daher sollte man die Zeit genießen. So kann man auch selbst noch wachsen und Neues lernen. Und in diese Kerbe hauen auch die Ergebnisse der VAPRO-Studie.
Die Richtung stimmt
Der Vater, der mit seinem Einkommen die Familie ernährt und sich mit den Kindern maximal am Wochenende beschäftigt, ist so langsam Geschichte. Heute ist es den Vätern wichtig, die eigenen Kinder nach Möglichkeit „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Das zumindest ist eines der zentralen Ergebnisse der VAPRO-Studie. Was aber ist damit überhaupt gemeint? Im Idealfall sind Väter von heute emotional und zeigen ihren Kindern ihre Zuneigung.
Das wünschen sich immerhin 60 Prozent der befragten Papas. Schon mehr als nur ein Trend ist der Wunsch der Männer nach einer aktiven Vaterschaft. Es ist aber noch längst nicht alles auf Kurs. Väter engagieren sich zwar in Sachen Kinderbetreuung, indem sie zum Beispiel mit den Kindern spielen. Allerdings übernehmen die Väter deutlich seltener aktive Erziehungsmaßnahmen.
Der Vater ist mehr als nur Ernährer
Auch wenn der finanzielle Rahmen bei einer Familie einen zentralen Stellenwert hat und das dafür nötige Geld auch erstmal verdient werden muss, haben sich die Väter vom Bild des Ernährers gelöst. So verwundert nicht, dass es nur noch 12 Prozent der Befragten als wichtigste Aufgabe verstehen, für die nötige finanzielle Sicherheit der Familie zu sorgen.
„Die von uns befragten Väter haben angegeben, dass ihnen monetäre Werte nicht so wichtig seien, wie soziale oder emotionale Werte“
Prof. Dr. Kai Marquardsen (FH Kiel)
Teilzeit bei Vätern immer noch die Ausnahme
Und auch wenn das Geldverdienen in der Prio nicht so weit oben auf der Liste zu finden ist, sind dennoch fast 85 Prozent der Väter wöchentlich 40 Stunden oder mehr erwerbstätig, während demgegenüber fast drei Viertel der anderen Elternteile nicht oder maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten. Hier zeigt die VAPRO-Studie, dass es in Sachen Gleichberechtigung noch eine Meile zu laufen gilt. Trotz dieses Ungleichgewichtes geht etwa jeder zweite Vater davon aus, dass er sich genauso viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung kümmert, wie der andere Elternteil. Das ist aber ganz typisch.
Fragt man alle Menschen im Haushalt, wieviel Prozent der Arbeit sie übernehmen, ergibt die Summe der Antworten fast immer deutlich mehr als 100 Prozent. Hier wird die eigene Leistung oft überschätzt. Das dürfte hier auch der Fall sein. Und die Papas, die den Großteil der Familienarbeit übernehmen, sind mit zehn Prozent auch immer noch stark unterrepräsentiert. Bei dieser Minderheit handelt es sich insbesondere um die Papas, die ihre Erwerbstätigkeit beendet oder deren Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für ihre Familie und die Versorgung der Kinder zu haben.
Eigener Vater wird kritisch bewertet
Wie schon eingangs erwähnt, kritisierten viele der Interviewten in der VAPRO-Studie ihre eigenen Väter unter anderem als „zu bestimmend“, als „abwesend“ und „mit der Arbeit zu beschäftigt“. Sie sehen ihre Väter als „negatives Vorbild“ in Sachen Vaterrolle und heben hervor, dass sie selbst als Vater bewusst anders handeln würden. Die Papas kritisieren aber nicht nur den eigenen Vater, sondern auch sich selbst. Denn sie geben an, ihren eigenen Vorstellungen von guter Vaterschaft nicht immer gerecht zu werden.
„Hier zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die im Job erfolgreich sein muss und gleichzeitig liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt“, erklärt Kim Bräuer. „Der Trend geht also weg von der ‚klassischen‘ Rollentrennung hin zu einem ‚Alle-erfüllen-alle-Rollen‘ und dieses möglichst perfekt. Dabei erleben die Väter nicht nur einen Work-Family-Konflikt. Es scheint auch darum zu gehen, sich in ihrem Freundeskreis, in Vereinen oder bei der Versorgung der Eltern einzubringen und ihren Kindern auf diese Weise soziale Werte vorzuleben,“ so Bräuer.
Väter bloggen nicht über Armut
Uns als Betreiber eines Vätermagazins im Internet interessiert natürlich besonders auch die Rolle von Social Media in Bezug auf die Väter. Im Rahmen der VAPRO-Studie haben die Sozialwissenschaftler*innen die Instagram-Accounts von sieben sehr populären Väterbloggern und deren Bild von Vaterschaft analysiert. Das Ergebnis scheint etwas eindimensional, denn auf der populären Social-Media-Plattform zeigt sich das Bild eines zumeist weißen, aktiven Vaters.
Vaterschaft in Armut oder Vatersein mit Migrationserfahrung würden hingegen kaum thematisiert, erklärt Prof. Marquardsen. „Das lässt sich damit erklären, dass Armut mit Scham behaftet ist und Väter in Armutslagen sich – auch virtuell – nicht offenbaren wollen. Väter, deren Leben von einem geringen Einkommen geprägt ist oder die auf Leistungen vom Staat angewiesen sind, finden unter Väterbloggern also niemanden in ähnlicher Lebenslage.“
Konkrete Handlungsempfehlungen der VAPRO-Studie
Die Empfehlungen, die sich aus der VAPRO-Studie ergeben haben, adressieren insbesondere Arbeitgeber*innen, Koordinator*innen von Väternetzwerken und politische Akteur*innen. Durch den Fokus auf die Väter soll deren Spagat zwischen Job und Familie sowie ihrem Verständnis der Vaterrolle sichtbarer gemacht und so die Situation von Familien verbessert werden. Die Initiatoren der Umfrage glauben, dass sich Väterarbeit verstärkt auf deren alltägliches Handeln beziehen sollte.
Somit gehe es weniger darum, ein neues Bild von Vaterschaft zu vermitteln, als die Väter stärker in alltägliche Aufgaben einzubinden, erklärt Bräuer: „Es wäre denkbar, Väter aktiv als Elternsprecher anzufragen, Väterschwimmkurse anzubieten oder sie aktiv zum Beispiel in Elternchats anzusprechen.“ Unterstützung wünschen sich die Wissenschaftler*innen außerdem durch entsprechende familienpolitische Reformen. „Das würde es vielen Vätern leichter machen, spezielle Angebote der Arbeitgeber*innen auch tatsächlich anzunehmen.“
Wir hoffen und werden uns weiter dafür einsetzen, dass sich immer mehr Väter für eine aktive Vaterschaft entscheiden und sich verstärkt um die Belange ihrer Kinder bemühen. Wir sind auf einem guten Weg!
Mehr Infos zur VAPRO-Studie gibt es hier bei der TU Braunschweig.
Titelbild © Monika Balciuniene (Pexels)