Stief- beziehungsweise Patchwork-Familien sind ein mittlerweile stark verbreitetes Familienmodell in Deutschland. Je nach Datenquelle sind es laut Bundesministerium rund sieben bis 13 Prozent in Deutschland. Für viele ist diese Konstellation eine große Herausforderung. Wir haben dazu eine Expertin befragt, die zu diesem Thema bereits einen Ratgeber geschrieben hat. Martina Schomisch ist Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie lebt seit 2002 selbst in einer Patchwork-Familie mit 5 Kindern.
DU lebst in einer Patchwork-Familie? So wie ich!
Hast auch Du die Herausforderungen einer zusammengewürfelten Familie unterschätzt? Vielleicht hast auch Du schon das eine oder andere Mal darüber nachgedacht alles hinzuschmeißen oder aufzugeben? Auch das kenne ich… ich weiß wie sich das anfühlt. Aber das muss nicht sein – lies hier meine drei einfachen Strategien für das (Über-)Leben in einer Patchwork-Familie:
#1 Der Faktor Zeit oder Vertrauen muss wachsen
Viele Menschen überschätzen was sie in einem Jahr erreichen können, ABER unterschätzen was in drei oder fünf Jahren möglich ist! Deshalb mein Tipp: Habt Geduld! Zu Beginn einer Patchwork-Beziehung wissen alle Beteiligten noch nicht viel von einander. Du weißt, dass Du Dich auf Dich verlassen kannst! Aber weiß das auch Dein Partner schon? … und dessen Kinder- woher sollen sie wissen, dass Du vertrauenswürdig bist? Viele Erwachsene in Patchwork-Beziehungen wundern sich, dass die Kinder sie testen oder vielleicht sogar ablehnen und nehmen dieses Verhalten zu sehr persönlich. Versetze Dich doch einmal in die Lage (D)eines Kindes und frage Dich, warum (D)ein Kind einem neuen Partner vertrauen soll.
„Nur“ weil Du ihn liebst? (D)ein Kind ist durch die Trennung, Scheidung und Verlust eines Elternteils verletzt. Und jetzt soll es einem „fremden“ Menschen vertrauen? Würdest Du das tun? Einfach so? Vertrauen braucht Zeit und viele, viele Situationen in denen Ihr Euch kennenlernen könnt und die Erfahrung von Vertrauen spürt. Können Deine Kinder Dir vertrauen? Sicher beantwortest Du diese Frage mit Ja! Genau, Kinder vertrauen ihren Eltern in den allermeisten Fällen bedingungslos. Dieses Vertrauen ist über Jahre, seit der Geburt des Kindes gewachsen. Meistens funktioniert Vertrauen zwischen Eltern und Kindern ohne Blick- oder Wortkontakt. Das ist dann „blindes Vertrauen“ und sicher die Königsdisziplin.
Wie funktioniert Vertrauen nun in (D)einer Patchwork-Familie?
Jeder Mensch braucht etwas anderes um zu vertrauen, weil jeder Mensch andere Erfahrungen in seinem Leben gemacht hat und dadurch andere Entscheidungen getroffen hat. Zu einer wirklich gut funktionierenden Patchwork-Familie gehört das Thema Vertrauen von Anfang an dazu. Möglicherweise ist das lästig für Dich oder erscheint Dir als Zeitverschwendung. Vertrauen ist das, was Familien über Schwierigkeiten und Herausforderungen hinweg trägt. Vertrauen ist das, was Deine Familie im Innersten zusammenhält!
Zum Faktor Zeit gehört in erster Linie die Zeit für Eure Paarbeziehung, denn: Die Liebe zwischen Euch Erwachsenen ist die primäre Energiequelle Eurer Patchwork-Familie. Diese Liebe sollte so behandelt werden wie Euer erstes
gemeinsames Kind und auch entsprechend gepflegt werden.
Mein Tipp: Plant regelmäßig Paarzeiten ein! Verbindlich und unumstößlich! IHR seid das Wichtigste in der Patchwork-Familie. Wenn Eure Liebe Euch trägt – auch über schwierige Zeiten hinweg, hat Eure Familie eine super Chance!
#2 Das Zauberwort Kommunikation
Alle zusammengesetzten Familien, die von sich sagen „wir haben es geschafft“, haben eines immer und immer wieder getan: kommuniziert! Und damit ist nicht das schnelle Gespräch zwischen Tür und Angel gemeint, die kurze, unverbindliche Nachfrage, wie der Tag war, was es neues in Schule oder Beruf gab. Im hektischen Alltag kann es ganz schnell zu Missverständnissen kommen, oder zu Nicht-Verstanden werden. Häufig gibt dann ein Wort das andere und Stress und Streit sind vorprogrammiert. Das Schlimmste für eine Familie, egal ob Kernfamilie oder Patchwork-Familie, ist es, wenn nicht mehr gesprochen wird.
Wenn die Menschen in der Familie einander gleichgültig sind, oder vor lauter Missverständnissen und Verletzungen nicht mehr kommuniziert wird. Zu Beginn einer Patchwork-Beziehung kennen sich die Beteiligten noch nicht gut. Daher ist es wichtig zu erfahren, wie es jedem Einzelnen in und mit der Familie geht. Das Wohlbefinden jedes Einzelnen gibt dann Auskunft über den Zustand der Familie als Ganzes. Deshalb ist es gerade in den ersten Jahren besonders wichtig, regelmäßige Familien-Gespräche zu führen. Eine sehr erfolgreiche Kommunikationsmethode in Patchworkfamilien ist die Familienkonferenz.
Die Familienkonferenz
Dazu sollten sich einmal pro Monat alle Familienmitglieder zu einem Familiengespräch treffen. Es dauert vielleicht eine Weile, bis sich die Familienkonferenz in Deiner Familie etabliert hat. Es lohnt sich so lange zu optimieren, bis eine Form gefunden ist, die allen Familienmitgliedern zugute kommt. In jeder Familie, egal ob Kernfamilie oder Patchwork-Familie, gibt es Herausforderungen und Probleme. Die Familienkonferenz kann als Prävention angesehen werden, da hier mögliche Problemfelder angesprochen werden können, bevor sie eskalieren.
Das sind mögliche Ergebnisse Eurer Familienkonferenz:
• HINhören ist besser als ZUhören
• JEDER hat das Recht, dass auszusprechen, was ihn bedrückt
• Missverständnisse können durch Sprechen in Verständnis verwandelt werden, das zeitnahe Sprechen über Problemfelder beugt der Eskalation entgegen
Mein Tipp: Habt den Mut auch unbequeme Dinge auszusprechen, lieber ein Donnerwetter und dann wissen alle, wo sie dran sind und können ihr Verhalten überprüfen und gegebenenfalls verändern, als ein dauernd unterschwellig schwelender Konflikt.
#3 Problemdenker oder Lösungshandelnder?
Wie wir bereits festgestellt haben, gibt es in Deiner Patchwork-Familie möglicherweise viele Probleme und Herausforderungen. Das ist gleichbedeutend mit unendlich vielen Möglichkeiten als Familie zu wachsen und sich zu entwickeln. Vielleicht kennst Du meinen Leitspruch:
„Der Erfolg einer Patchwork-Familie beginnt, wenn es schwierig wird.“
Das, was uns geholfen hat und diesen Tipp gebe ich Dir gerne: Lerne den Lösungsweg zu lieben! Schaust Du nur auf Eure Probleme und Herausforderungen, vergeht Dir sicher bald der Spaß und die Freude an Deiner Patchwork-Familie und Du wirst schneller aufgeben. Bei einem unserer Familienkonferenztreffen haben wir uns überlegt: Wir brauchen ein Zauberwort, dass unser aller Leben verändert! Nach langem Hin und Her überlegen haben wir es gefunden, das ultimative Patchworkfamilien-Zauberwort: „inLöde“.
Komisches Wort? Ja, im ersten Moment schon, aber nur bis Du weißt, was es bedeutet: „in Lösungen denken“. Die „inLöde“-Menschen schöpfen Freude aus dem Weg und haben so mehr Kraft zum Durchhalten. „InLöde“-Menschen nehmen ihr Leben, ihre Liebe und ihre Patchworkfamilie in die Hand! Du und Deine Familie gehören schon dazu? Herzlichen Glückwunsch! Wenn ich heute sage: “Der Erfolg einer Patchworkfamilie beginnt, wenn es schwierig wird”, dann spreche ich von Situationen die wir selbst erlebt, durchlitten und gemeistert haben, nicht ohne die ein oder andere Endlosschleife auf dem Weg… und ich versichere Dir: Es wird nicht leichter! DU wirst stärker!
Diese drei Patchwork-Familien-stärken-Tipps haben Allgemeingültigkeit und funktionieren und können auch Dir und Deiner Familie eine echte Hilfe sein. Gefallen Dir die drei einfachen Strategien für das (Über-)Leben in einer Patchwork-Familie? Und möchtest Du die Herausforderungen als Chance nutzen um zu einer starken Familie zu werden? Dann kannst Du hier weiterlesen:
- Schomisch, Martina(Autor)
Ich wünsche Dir eine starke Familie voller Freude und Leichtigkeit!
Martina Schomisch
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