Ein Gastbeitrag von Univ.-Prof. Dr. Rudolf Seufert
Eine eigene Familie zu gründen, stand und steht im Mittelpunkt der Lebensplanung vieler Paare. Doch gar nicht selten ist das alles andere als einfach: Für zehn bis 15 Prozent von ihnen bleibt der Kinderwunsch auf natürlichem Wege unerfüllt – Tendenz steigend. Ist dies der Fall, stellen sich viele Fragen und nicht immer erfolgt die optimale professionelle Hilfe zum richtigen Zeitpunkt – auch von ärztlichen Kollegen. Es ist heute eigentlich eine Binsenweisheit, wenn man noch extra darauf hinweisen muss, dass keineswegs nur weibliche Ursachen einer Paarsterilität zu Grunde liegen können. Sie sind ebenso oft beim männlichen Partner zu finden. Hier herrscht echte Gleichberechtigung. Hinzu kommt, dass bei vielen Paaren sogar beide Partner Fertilitätsprobleme haben.
Trotzdem wird zunächst oft nur bei der Frau nach Ursachen gesucht, ja schließt so mancher die Möglichkeit, es könnte an ihm liegen, sogar aus. Argumente wie “Ich habe beim Sex keine Probleme.” oder “Ich habe ja schon ein Kind, an mir kann es nicht liegen.” hören Fachärzte immer wieder. Leider hat das nichts mit der medizinischen Realität zu tun: Eine erektile Dysfunktion kann natürlich zu Fertilitätsproblemen führen, ist aber bei weitem nicht der einzige Grund.
Noch immer ist männliche Infertilität besonders schambehaftet: Zu groß ist die Angst vor der Diagnose Unfruchtbarkeit und dem vermeintlichen Makel der Unmännlichkeit. Das Ergebnis: Oft geht wertvolle Zeit verloren, was eine erfolgreiche Kinderwunschbehandlung erschweren kann. Und wenn nur bei der Frau gesucht wird, bleiben viele Fälle, in denen beide Partner eine eingeschränkte Fertilität haben, unentdeckt. So besteht die Gefahr, dass es mit dem Wunschkind am Ende nicht klappt.
Daher empfiehlt es sich, wenn ein unerfüllter Kinderwunsch besteht, bereits zu Beginn einer medizinischen Abklärung immer beide Partner zu untersuchen. Das sollte in der Regel dann geschehen, wenn es nach einem Jahr wiederholter Versuche nicht zu einer Schwangerschaft gekommen ist. Liegt es am Mann, ist die Ursache meist eine unsichtbare: die Spermienqualität. Ganz häufig sind schlichtweg zu wenig bewegliche funktionsfähige Spermien vorhanden, die mit einer Eizelle verschmelzen könnten, was die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft stark sinken lässt.
Eine geringe Spermienqualität ist leider immer häufiger zu beobachten, auch wenn die Ursachen dafür noch nicht abschließend geklärt sind. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Faktoren wie Umwelteinflüsse und -verschmutzung, aber auch der persönliche Lifestyle mit Alkoholkonsum, Rauchen, mangelnder Bewegung und Übergewicht sowie die Ernährung die Spermienqualität und damit die Fruchtbarkeit des Mannes negativ beeinflussen können.
Bei der Suche nach den Gründen sollte nicht nur ein sogenanntes Spermiogramm – also eine Analyse der Spermienqualität – angefertigt werden, auch das Sexualverhalten und gegebenenfalls Infektionen und Krankheiten sind mit einzubeziehen. Je genauer man weiß, woran es liegen könnte, desto höher sind natürlich die Erfolgschancen.
Stellt man fest, dass eine wesentliche Ursache tatsächlich in zu wenigen und zu unbeweglichen Spermien liegt, kann die ICSI-Behandlung – die intracytoplasmatische Spermieninjektion – trotzdem die Schwangerschaft möglich machen. Hier kann im Prinzip ein einziges vitales Spermium pro Eizelle ausreichen. Dabei werden dann im Labor in die der Frau entnommenen Eizellen einzelne Spermien injiziert und die befruchteten Eizellen anschließend wieder in die Gebärmutter eingesetzt. Es kommt nur sehr selten vor, dass gar keine verwendbaren Samenzellen vorhanden sind, so dass die Behandlung fast immer mit den eigenen Samen durchgeführt werden kann. Die Nutzung von Fremdspermien ist zwar in Deutschland prinzipiell möglich, wird aber nur in Ausnahmefällen angewandt.
Das Entscheidende ist aber, den unerfüllten Kinderwunsch als gemeinsame Herausforderung zusammen anzugehen und Schuldzuweisungen zu vermeiden. Noch nie waren die Erfolgsraten der modernen Kinderwunschtherapie höher und fast 90 Prozent aller Paare kann heute geholfen werden. Die Familiengründung ist etwas, das nur dann gelingen wird, wenn alle an einem Strang ziehen – und das gilt auch für eine Kinderwunschbehandlung.
Aber auch aus medizinischer Sicht ist Gemeinsamkeit sinnvoll: zum einen weil häufig eben beide Partner betroffen sind und zum anderen, weil die Fertilitätsprobleme zuweilen durch eine besonders gute Fruchtbarkeit des anderen ausgeglichen werden können. Dieser Gedanke eines „Paar-Problems“ hilft, männliche Infertilität nicht als einen persönlichen Makel oder ein individuelles Versagen zu erleben, sondern den gemeinsamen Kinderwunsch als Teil eines in die Zukunft gerichteten Projektes wahrzunehmen, das beim Gelingen das gesamte gemeinsame Leben auf Jahre nachhaltig verändern wird.
Über den Autor
Als ehemaliger Professor für „Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz übernahm Univ.-Prof. Dr. Rudolf Seufert M.Sc. 2018 die ärztliche Leitung von TFP Kinderwunsch Wiesbaden. Dort fungiert er als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin.
Über TFP Fertility
TFP Fertility ist einer der führenden Anbieter von Kinderwunschbehandlungen und -dienstleistungen in Europa. Mit 20 Einrichtungen in sechs Ländern bietet TFP eine breite Palette an individuellen Therapien. TFP versammelt über 300 renommierte Spezialisten und teilt ihr Wissen in der gesamten Gruppe. Sie kombiniert medizinische Exzellenz, bahnbrechende Forschung und individuelle Betreuung, um Menschen bei der Familiengründung zu helfen.
TFP ist seit 35 Jahren ein Innovator in der Reproduktionsmedizin und hat viele erfolgreiche Kinderwunschbehandlungen vorangetrieben. Die Gruppe betreibt derzeit Kliniken in Großbritannien, Deutschland, Österreich, Dänemark, den Niederlanden und Polen. In Deutschland ist TFP mit Kinderwunschzentren in Frankfurt und Wiesbaden sowie Berlin und Düsseldorf präsent.
Titelbild © Jonathan Borba (Unsplash)