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„Lasst Väter Vater sein“ – Barbara Streidl im Interview

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Kommende Woche gibt es eine spannende Lektüre zum neuen Rollenbild „Vater“. Das Buch „Lasst Väter Vater sein“ von Barbara Streidl. Mutter – Vater – Kind – Gesellschaft: Betrachtet man nüchtern, wer von diesen bis heute am meisten in einer traditionellen Rolle verhaftet bleibt, so landet man schnell bei den Vätern. Viele von ihnen werden blockiert: von sturen Chefs, die Kind und Karriere für unvereinbar halten, aber auch von Müttern, die Erziehungsfragen allein entscheiden wollen. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass einem Kind nichts Besseres passieren kann als ein Vater, der Verantwortung übernimmt und nicht bloß Aufgaben.

Wir haben die Autorin zum Interview geladen und bekamen interessante Antworten, welche Bedingungen auch von Seiten der Arbeitgeber und der Politik erfüllt werden müssen.

DADDYlicious: Warum braucht Deutschland diese „neuen“ Väter?

Barbara Streidl: Ich glaube, die „neuen“ Väter gibt es längst. Aber sie werden leider ziemlich häufig übersehen – oder auf Babybjörn-Papas reduziert, die gut wickeln können, aber mehr Aufgaben erfüllen als Verantwortung übernehmen. Ich stelle mir den „neuen“ Vater als einen Mann vor, der die abwesenden Väter der Kriegsgenerationen, die autoritären Papas der Nachkriegsgeneration und die Workaholic-Dads der Neunziger nicht als Vorbild nehmen möchte. Der einfach nur Papa sein möchte für seine Kinder und dafür einen eigenen Weg findet. Und den brauchen wir – Männer, Frauen, Kinder – hierzulande ziemlich dringend.

DADDYlicious: Wo liegt genau der Unterschied zu der Generation vor uns?

Barbara Streidl: Die Aufbruchstimmung der 68er Generation ist verflogen, heute gibt es kein klares Ziel mehr, auf das wir gesamtgesellschaftlich hinsteuern in unseren Vorstellungen für ein Familienleben. Das merkt man z.B. an der Akzeptanz der Elternzeit: Rund jeder vierte Vater nimmt heute zwei Partnermonate – und wird dafür nicht nur von traditionell denkenden Kollegen belächelt, sondern auch von an Gleichberechtigung interessierten Frauen. Was den einen zu viel ist, erscheint den anderen zu wenig.

Autorin Barbara Streidl setzt sich für starke Väter ein
© Brittani Burns (Unsplash)

DADDYlicious: Worin liegen die Vorteile für den Vater von heute?

Barbara Streidl: Viele Männer haben Partnerinnen an ihrer Seite, die die Zerreißprobe zwischen Karriere und Familie aus eigener Erfahrung gut kennen. Das ist gut – denn so kann der Familienernährer-Job auf vier Paar Schultern aufgeteilt werden. Ich glaube auch, dass heute viele Väter in ihre Familien wollen, aus eigenem Antrieb heraus. Wenn sie selbstverständlich ihren Platz finden und einnehmen, ist das natürlich viel besser als wenn sie Aufgaben zugewiesen kriegen.

DADDYlicious: Sie haben drei Wünsche frei. Welche würden Sie sich von der Industrie wünschen?

Barbara Streidl:
1. Familienfreundlichkeit muss auch für Papas gelten.
2. Vaterschaft kann zum Karrierebaustein werden, betrieblich unterstützt.
3. Einer Studie zufolge (Sowitra/Hanns-Böckler-Stiftung, 2014) reduziert etwa jeder vierte Vater unmittelbar in Anschluss an seine Elternzeit seine Arbeitszeit – das sollte auch Führungskräften möglich sein.

DADDYlicious: Wir legen noch drei drauf. Und welche von der Politik?

Barbara Streidl:
1. Familienarbeitszeit – d.h., Mama und Papa reduzieren ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent in der betreuungsintensivsten Zeit ihrer Kinder; das Lohndelta übernimmt wenigstens anteilig der Staat.
2. Das Elterngeld wird neu berechnet, und zwar basierend auf der Summe der Gehälter von Mama und Papa. Das macht die Entscheidung, wer wie viele Monate Elterngeld nimmt, zu einer freieren, Individual-Einkommens-unabhängigeren.
3. Eine Elternbeziehung muss das Ende einer Paarbeziehung überstehen. Hier werden jede Menge Hilfestellungen gebraucht, beratender, finanzieller und rechtlicher Natur – und zwar für Mama und Papa.

DADDYlicious: Wie findet der Vater von heute seine Position in der Familie?

Barbara Streidl: Das wichtigste ist, dass er da ist. Und dann all das, was er macht, wickeln, trösten, schimpfen, zuhören, usw. als Vater macht – und nicht etwa als Mutter zweiter Klasse.

DADDYlicious: Was bedeutet das für die Mütter?

Barbara Streidl: Das ist schon der Hauptgewinn! Ein Partner auf Augenhöhe, der seine eigene Persönlichkeit, sein eigenes Temperament und seine eigenen Interessen mit in die Familie bringt, das ist eine immense Bereicherung für alle Beteiligten. Einer, mit dem zu rechnen ist.

DADDYlicious: Wie sieht die ideale Rollenverteilung der Erziehungsberechtigten aus? Sicherlich nicht Good Cop, Bad Cop…

Barbara Streidl: Ah, die gibt es meines Erachtens gar nicht. Weil wir doch alle ein bisschen unterschiedlich sind. In der einen Familie kuschelt die Mama, in der anderen lieber der Papa. Frauen können ebenso Fahrräder reparieren wie Männer Geburtstagskuchen backen. So ist es eher das gleichberechtigte Zusammenspiel von Mama und Papa, das wichtig ist.

DADDYlicious: Sie rufen zum Elternstreik auf. Was wollen Sie damit erreichen?

Barbara Streidl: Denken wir an den Kita-Streik, der bis jetzt noch nicht zu einem Ende gekommen ist. Die Essenz davon ist, dass Kinderbetreuung einfach weniger wert ist als etwa eine BMW-Filiale zu leiten. Was daran liegt, dass historisch gewachsen Erwerbstätigkeit bis heute mehr zählt ist als Familie. Das sollte doch allen Eltern – geschlechterübergreifend wie unabhängig von ihrer politischen Orientierung – mehr als aufstoßen! In Deutschland gibt es mehr als 8 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Wenn nur ein Teil dieser Mütter und Väter, vom Busfahrer über die Mathelehrerin zur Bankangestellten, einen Tag ihre Arbeit niederlegt, um darauf hinzuweisen, dass Kinderbetreuung durchaus mehr wert ist, könnte das zu einem gesamtgesellschaftlichen Umdenken führen.

DADDYlicious: Sie stecken knietief im Thema. Wie fällt ein Besuch ihrer Zielgruppe auf dem Spielplatz aus?

Barbara Streidl: Da gibt es alles: gut vorbereitete Mamas mit klein geschnittenen Äpfeln in Tupperdosen, Großeltern, die ängstlich neben dem Klettergerüst stehen, und Papas, die in Bermudashorts Fußball spielen – mit den Schulfreunden ihrer Kinder. Die lieber im Sand buddeln. Ich gehe gerne mit meinen Kindern auf den Spielplatz und setze mich an den Rand und schaue zu. Und lerne. Und verstehe.

Über Barbara Streidl

Barbara Streidl, geboren 1972 in München, arbeitet als Journalistin u.a. für den Bayerischen Rundfunk. Sie ist Co-Autorin des Buches »Wir Alphamädchen – Warum Feminismus das Leben schöner macht«. 2012 erschien ihr Buch »Kann ich gleich zurückrufen? Der alltägliche Wahnsinn einer berufstätigen Mutter«. Nächste Woche kommt ihr neues Werk auf den Markt: »Lasst Väter Vater sein«. Sie zeigt auf, wie eine selbstbestimmte und emanzipierte Vaterschaft dem Wohle aller dient – nicht zuletzt der Familie. Nach Generationen abwesender Erzeuger und Ernährer ist es Zeit für neue Vaterbilder und die entsprechenden Veränderungen in Familie, Beruf und Gesellschaft. Barbara Streidl ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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