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Kita-Krise verschärft sich: 300.000 Betreuungsplätze fehlen in Deutschland

Laut einer Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen derzeit 300.000 Betreuungsplätze für Kinder

Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) zeichnet ein alarmierendes Bild der Kinderbetreuungssituation in Deutschland: Trotz sinkender Geburtenzahlen fehlen bundesweit 300.000 Betreuungs- und Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren. Besonders betroffen sind Familien in Westdeutschland, wo die Lücke zwischen Bedarf und Angebot größer wird statt kleiner.

Paradoxe Entwicklung: Weniger Kinder, größere Lücke

Die Zahlen wirken auf den ersten Blick widersprüchlich: Während die Zahl der unter Dreijährigen in Deutschland von 2,28 Millionen Ende 2022 auf 2,12 Millionen Ende 2024 gesunken ist, hat sich die Betreuungssituation nicht entspannt. Im Gegenteil: Die Betreuungsquote ist erstmals seit der Corona-Pandemie wieder gesunken: von 38,2 Prozent im Jahr 2024 auf 37,8 Prozent im Jahr 2025.

Besonders bemerkenswert: Die Zahl der betreuten unter Dreijährigen ist von ihrem Höchststand 857.000 im Jahr 2023 um 56.000 auf nur noch 801.000 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von 6,5 Prozent und bedeutet, dass so wenige Kleinkinder betreut werden wie zuletzt 2018.

Ost-West-Gefälle bleibt dramatisch

Die regionalen Unterschiede könnten kaum größer sein. Während in Ostdeutschland 54,9 Prozent der unter Dreijährigen einen Betreuungsplatz haben, liegt die Quote in Westdeutschland bei lediglich 34,5 Prozent – eine Differenz von über 20 Prozentpunkten.

Die Betreuungslücke in Westdeutschland beträgt 15,6 Prozent aller Kinder, während sie im Osten bei 7,3 Prozent liegt. Doch die Situation variiert erheblich zwischen den einzelnen Regionen: An der Spitze liegt Hamburg mit einer Betreuungsquote von 49,3 Prozent, Schlusslicht ist Bremen mit nur 31,3 Prozent, mehr als ein Drittel weniger.

Elternwünsche steigen weiter

Ein Hauptgrund für die wachsende Lücke: Erstmals wünschen sich mehr als die Hälfte aller Eltern (52 Prozent) einen Betreuungsplatz für ihre unter dreijährigen Kinder. Dieser Wert ist seit Einführung des Rechtsanspruchs im Jahr 2013 kontinuierlich gestiegen, damals lag er noch bei 41,4 Prozent.

Selbst in den traditionell zurückhaltenden Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern, wo die Bedarfsquote 2024 noch unter 50 Prozent lag, steigt die Nachfrage. Expert*innen gehen davon aus, dass dieser Trend sich fortsetzen wird, insbesondere wenn institutionelle Rahmenbedingungen wie Elternbeiträge verbessert werden.

Jedes fünfte Dreijährige ohne Kita-Platz in Bremen

Besonders problematisch ist die Situation bei älteren Kleinkindern: In Bremen besucht mehr als ein Fünftel der dreijährigen Kinder keine Kindertagesstätte, obwohl seit dem ersten Geburtstag ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz besteht. Dies ist insbesondere mit Blick auf die Sprachentwicklung von Kindern aus nicht-deutschsprachigen Familien kritisch.

Die Studie betont, dass gerade Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf – insbesondere beim Erwerb der deutschen Sprache – frühzeitig in Kitas integriert werden sollten, auch wenn die Eltern zunächst keinen entsprechenden Bedarf sehen.

Unterschiedliche Einstiegsmuster

Die Analyse zeigt deutliche Unterschiede beim Kita-Einstieg nach Altersjahren. Bei unter Einjährigen ist die Betreuungsquote mit durchschnittlich 1,7 Prozent bundesweit noch sehr niedrig. Bei den Einjährigen variiert sie jedoch enorm: Von 20,3 Prozent in Rheinland-Pfalz bis zu 77,2 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.

Bei den Zweijährigen erreichen sämtliche ostdeutschen Bundesländer und Hamburg Werte über 80 Prozent, während mehrere westdeutsche Bundesländer bei unter zwei Dritteln liegen.

Ostdeutschland vor Rückbau der Infrastruktur

Während Westdeutschland mit massivem Platzmangel kämpft, steht der Osten vor einem anderen Problem: Die Zahl der unter Dreijährigen ist zwischen Ende 2018 und Ende 2023 um 19,6 Prozent eingebrochen. Der rechnerische Bedarf an Betreuungsplätzen sank von 261.000 im Jahr 2019 auf nur noch 213.000 im Jahr 2025.

Diese Entwicklung macht einen Rückbau der Betreuungsinfrastruktur im Osten nahezu unvermeidlich. Die Studie empfiehlt jedoch, freiwerdende Personalressourcen nicht abzubauen, sondern zur Verbesserung der Betreuungsqualität einzusetzen – etwa durch bessere Betreuungsschlüssel.

Wo die größten Lücken klaffen

In absoluten Zahlen fehlen die meisten Kita-Plätze in den bevölkerungsreichen Bundesländern: 85.400 fehlende Plätze in Nordrhein-Westfalen sowie zusammen 86.900 in Baden-Württemberg und Bayern.

Relativ zur Kinderzahl sind die Lücken am größten in Bremen (18,9 Prozent), Rheinland-Pfalz (18,7 Prozent), dem Saarland (18,5 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (18,0 Prozent).

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Dimension

Die Studie betont die mehrfache Bedeutung einer gut ausgebauten Betreuungsinfrastruktur: Angesichts des demografischen Wandels und zunehmender Fachkräfteengpässe wird es immer wichtiger, allen Eltern eine Erwerbstätigkeit im gewünschten Umfang zu ermöglichen.

Gleichzeitig wird die frühkindliche Bildung in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft wichtiger für gleiche Entwicklungschancen aller Kinder. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein entscheidender Faktor zur Vermeidung langfristiger wirtschaftlicher Risiken der Elternschaft – insbesondere für Frauen.

Ausblick: Entspannung nicht in Sicht

Für die kommenden Jahre rechnen Experten nicht mit einer schnellen Verbesserung der Situation. Zwar gehen die Geburtenzahlen weiter zurück – 2024 kamen nur noch 677.000 Kinder zur Welt, in der ersten Hälfte 2025 lagen die Zahlen nochmals 5,6 Prozent niedriger als im Vorjahr – doch die steigenden Betreuungswünsche der Eltern kompensieren diesen Effekt.

Eine Trendwende zu steigenden Geburtenzahlen ist bislang nicht in Sicht. Experten vermuten Zusammenhänge mit den globalen Krisen, der sich verschlechternden Arbeitsmarktlage und demografischen Faktoren: Die größeren Jahrgänge der Babyboomer-Kinder haben ihre Familien überwiegend in den 2010er-Jahren gegründet, nun stehen wieder kleinere Kohorten vor dieser Entscheidung.


Die vollständige Studie „300.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige fehlen“ wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln veröffentlicht und basiert auf aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts sowie Erhebungen des Bundesfamilienministeriums.

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