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Mom & Dad on fire – KKH-Umfrage sieht immer mehr Stress bei Eltern

Eigentlich sind Kinder ja das größte Glück der Erde und somit sollte man auch davon ausgehen, dass es Eltern glücklich macht, ihren Nachwuchs aufwachsen zu sehen. Das ist sicherlich den Großteil der Zeit auch so. Und trotzdem geraten Mütter und Väter auch immer mehr unter Druck. Und das hat nichts mit trotzigen Kindern oder schwierigen Teenagern zu tun. Jüngst hat eine forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse ergeben, dass sich derzeit gut 62 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern häufig oder sogar sehr häufig gestresst fühlen. Dabei ist Stress natürlich ein dehnbarer Begriff, der schnell genutzt wird. Daher steigen wir etwas tiefer ein und checken die Ergebnisse.

Ein erstes Indiz für einen negativen Trend liefert die Tatsache, dass zwei Drittel der Eltern das Gefühl haben, der Stress habe in den vergangenen ein bis zwei Jahren zugenommen. Grund zur Sorge begründet sich durch die Aussage von fast 70 Prozent der befragten Eltern, sich infolge hoher Belastungen mitunter erschöpft oder ausgebrannt zu fühlen. Erschreckende 40 Prozent geben in diesem Zusammenhang sogar an, bereits niedergedrückt oder depressiv gewesen zu sein. 2019 lagen die Anteile mit 55 beziehungsweise 22 Prozent noch deutlich darunter.  

„Der große Anstieg ist ein Warnsignal. Wir müssen diese Entwicklung sehr ernst nehmen“

Dr. Aileen Könitz, Expertin für psychiatrische Fragen bei der KKH

„Dauerstress kann unsere Gesundheit stark beeinträchtigen, da er häufig ein anhaltendes Gefühl der Hilflosigkeit, Überforderung oder gar Verzweiflung hinterlässt. Das wiederum kann zu chronischer Erschöpfung, Depressionen und Angststörungen führen oder bestehende psychische Erkrankungen weiter verstärken.“

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© KKH

Viele Gründe für zunehmenden Stress der Eltern

Werfen wir im nächsten Schritt einen Blick auf die Ursachen für den steigenden Stress. Laut der aktuellen Umfrage setzen gesellschaftliche Themen wie die politische Lage, der Klimawandel und der Teuerung die Eltern unter Druck. Dies empfindet die Hälfte der Eltern als besonders stressig. Weitere wichtige Einflussfaktoren für den zunehmenden Stress sind die Erziehung und Betreuung der Kinder (48 Prozent), die Arbeitsbelastung im Haushalt (46 Prozent) und die Angst um die Zukunft des Nachwuchses (44 Prozent). Mit etwas Abstand folgen die eigene Ausbildung oder der Beruf (37 Prozent) sowie Konflikte in der Familie (36 Prozent). Gut ein Viertel der Eltern belasten finanzielle Sorgen (29 Prozent). Ein geringerer Stressfaktor ist hingegen die Digitalisierung inklusive technischer Neuerungen und ständiger Erreichbarkeit (17 Prozent).

Die Arbeitsbelastung im Haushalt wird von den Geschlechtern immer noch deutlich unterschiedlicher wahrgenommen. Zugenommen haben die Zahlen in den letzten fünf Jahren allerdings bei Müttern und Vätern. Mit 63 Prozent fühlen sich knapp zwei Drittel der Mütter durch den Haushalt unter Druck – gegenüber 40 Prozent vor fünf Jahren. Bei den Vätern stieg der Wert von 16 Prozent im Jahr 2019 auf 30 Prozent in der aktuellen Umfragen, ist also sogar deutlicher gestiegen als bei den Mamas. Darüber hinaus fühlen sich aktuell mehr Väter durch Erziehung und Betreuung der Kinder, Konflikte in der Familie und finanzielle Sorgen belastet als noch vor fünf Jahren.

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Vereinbarkeit ist Stressfaktor für Mütter und Väter

Heutzutage sind in immer mehr Familien beide Eltern berufstätig, denn Kinder zu haben und dabei einen gewissen Lebensstandard halten zu können, ist heutzutage sehr kostenintensiv. Laut dem Statistischem Bundesamt leisten Frauen nicht nur rund 44 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Dazu zählen Haushaltstätigkeiten und Kinderbetreuung. Inzwischen sind auch knapp 70 Prozent der Mütter minderjähriger Kinder berufstätig. 2005 waren es noch 60 Prozent. Die Erwerbsquote der Väter ist nach wie vor höher, aber nicht so stark gestiegen wie bei den Müttern (von 88 auf 92 Prozent). Müssen beide Elternteile den Spagat zwischen Beruf und Familie meistern, sind eine noch gezieltere Organisation und genauere Absprachen nötig. Das birgt häufig neues Konfliktpotenzial und somit zusätzlichen Stres

Getrennte Eltern haben noch mehr zu wuppen

In Deutschland leben laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mehr als acht Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Gut 18 Prozent davon sind getrennt. Das heißt, ein Elternteil hat die meisten Aufgaben des Alltags allein zu bewältigen. Ein Wechselmodell zu gleichen Anteilen klappt nur bei ganz wenigen Trennungen. Meist tragen hier die Mütter die größere Last, denn in neun von zehn Fällen leben die Kinder bei der Mutter. Und das geht an die Substanz. „Frauen leiden häufiger als Männer an stressbedingten psychischen Krankheitsbildern wie Anpassungsstörungen und in der Folge auch an Depressionen. Das liegt aber nicht daran, dass sie seelisch instabiler sind. Sie sind oftmals stärker belastet“, erläutert KKH-Expertin Könitz.

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© KKH

Klischees und Werte – zusätzliche Stresstreiber?

Und auch, wenn es viele vielleicht schon nicht mehr hören können: Auch die Digitalisierung und das permanente Senden und Empfangen von Botschaften trägt seinen Teil zum gefühlten Stress bei. Und das geht gar nicht nur von den Kindern aus, denn auch Eltern verbringen mehrere Stunden pro Tag mit dem Smartphone. Da werden sie ihrer Vorbildfunktion nur zum Teil gerecht, wenn sie ihren Kinder den sorgsamen Umgang mit Internet, Social Media & Co. näherbringen. Und nicht zuletzt trägt die „always on“-Entwicklung auch dazu bei, dass Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen. So schön, wie Teilzeit und flexible Arbeitszeiten sind, so sehr hält der Job oft Einzug in die Freizeit.

Und es gibt noch einen weiteren stichhaltigen Grund für steigenden Stress: Heute werden Kinder immer später geboren, somit sind die werdenden Eltern nicht selten schon etwas älter und dadurch verdichtet sich die Belastung aus Job und Familie, weil sie in einer kürzeren Lebensphase stattfindet als früher. Berufstätige Eltern in den Dreißigern und Vierzigern sind besonders belastet, weil sie sich gleichzeitig alles abverlangen: Sie wollen Karriere machen, eine Familie gründen, ihre Kinder perfekt erziehen. Einerseits vermitteln Gesellschaft und soziale Medien solche Ideale. Andererseits spielen von Eltern und Großeltern übernommene Wertevorstellungen eine Rolle, bei denen Eigenheim und Familie die Lebensziele schlechthin waren. Der Stress ist also häufig auch selbstgemacht – gerade durch solche überhöhten Erwartungen und den Drang zur Perfektion.

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Die Situationen werden von den Beteiligten jedoch recht unterschiedlich bewertet. „Wann wir etwas als stressig empfinden und was, ist subjektiv und auch abhängig von der eigenen Resilienz und der Fähigkeit, mit Druck umzugehen“, erläutert Aileen Könitz. „Fakt ist aber: Wer hohe Belastungen dauerhaft ignoriert, wird krank.“ Tückisch dabei ist: Das Ausbrennen, der ‚Eltern-Burnout‘, ist ein schleichender Prozess. Anfangs befinden sich betroffene Mütter und Väter noch in einer Art Hochleistungsmodus, sie fühlen sich stark, treffen Entscheidungen im Minutentakt.

Wenn aber auf solche Stressmomente keine Entspannungsphasen mehr folgen, dann stellen sich erste Anzeichen von Überforderung und Erschöpfung ein wie Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen. Wer dann nicht gegensteuert, setzt die Abwärtsspirale in Gang. Betroffene Eltern fühlen sich irgendwann völlig leer und antriebslos. Sie befinden sich in einer Art Robotermodus, funktionieren zwar, sind aber für die Kinder nicht mehr wirklich präsent. Es schwinden Leistungsfähigkeit und Identifikation mit der Elternrolle. Mögliche Folgen: Vernachlässigung, schlimmstenfalls Gewalt. 

Elternstress darf kein Tabuthema sein

„Die Arbeit, die Eltern und insbesondere Alleinerziehende leisten, wird von der Gesellschaft immer noch unterschätzt. Damit verbundene Probleme wie Druck und Stress sind nach wie vor häufig ein Tabu. Dabei ist die Kindererziehung eine der wichtigsten und verantwortungsintensivsten Aufgaben“, betont Aileen Könitz. Schließlich gehe es um die nächsten Generationen und somit um die Zukunft. Schon allein deshalb müsse Elternarbeit mehr wertgeschätzt werden.

„Um bestehende Tabus zu brechen, ist es wichtig, dass Mütter und Väter offen über ihre Sorgen, Ängste und Nöte, ihre Überlastung oder ihren ‚Eltern-Burnout‘ sprechen können. In der Medizin ist dieser Begriff zwar nicht als Diagnose verankert, hilft aber, den Zustand zu beschreiben, in dem sich betroffene Eltern befinden“, sagt die KKH-Expertin. Und: Ein Burnout im familiären Kontext sei mindestens genauso ernst zu nehmen wie ein Burnout im Beruf, denn: „Einen Job kann man wechseln, die Elternrolle hingegen ist unkündbar.“

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Um schon frühzeitig zu unterstützen und Hilfestellung zu leisten, sollten Mütter und Väter aufmerksam in sich reinhorchen, ihre Bedürfnisse frühzeitig hinterfragen und sich selbst wichtig nehmen. Denn: Wer ausgebrannt ist, kann auch der Familie nichts mehr geben. „Burnout-Prävention fängt also bei einem selbst an“, sagt Aileen Könitz. Bevor sich Betroffene professionelle Hilfe suchen, kann es zunächst hilfreich sein, das eigene Netzwerk zu beleuchten und zu überlegen, wer wie wann unterstützen kann. So können etwa Aufgaben wie Kochen oder Kinder zur Schule bringen und von der Schule abholen mit anderen Eltern, Nachbarn oder Großeltern geteilt werden. „Wichtig ist auch, die eigenen Ansprüche herunterzufahren und weniger perfektionistisch zu denken“, rät Könitz.

Die KKH hält folgende Angebote zur mentalen Gesundheit Alleinerziehender und zur Stressreduktion im Allgemeinen bereit: 

Hintergrundinformationen zur Umfrage
Das Meinungsforschungsinstitut forsa hat im Auftrag der KKH vom 2. bis 16. Januar 2024 sowie im November 2019 deutschlandweit jeweils 1.000 Eltern mit Kindern unter 18 Jahren online repräsentativ befragt. Eltern mit mehreren Kindern wurden zu dem Kind befragt, das zuletzt Geburtstag hatte.

Titelbild: © PeopleImages.com (depositphotos.com)

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel ist Patchwork-Dad von drei Kindern, die eigene Tochter Mika ist im April 2012 geboren. Der Hamburger ist Online-Publisher und betreibt neben Daddylicious auch das "NOT TOO OLD magazin" inklusive Podcast. Außerdem schreibt er für ein paar Zeitschriften und Magazine und hilft Kunden und Agenturen als Freelance Consultant. Nach dem Job entspannt er beim Laufen oder Golf.

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