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RatgeberFamilienlebenWir sind keine schlechten Eltern!

Wir sind keine schlechten Eltern!

Kürzlich ist ein interessanter Artikel in der Zeit über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschienen. Lebensmodell Familie als Kartenhaus? Marc Brost und Heinrich Wefing schildern ihre Situation aus der deutschen Mittelschicht mit zwei Vollverdienern und den aktuellen Befindlichkeiten der schnelllebigen Berufswelt. Erreichbarkeit: Immer. Druck: Hoch. Zeit: Nicht vorhanden. Vorstellung eines Familienlebens: Nicht erfüllt.

Sie plädieren für eine ehrliche Diskussion vorhandener Probleme, die das Leben als Familie in der heutigen Gesellschaft mit sich bringt. Sie stellen die „Vereinbarkeitslüge“ an den Pranger, die Politik, Medien und wir selbst uns vormachen. Das Smartphone als schwarzes Schaf für alle, die in Führungspositionen arbeiten oder eben „was mit Medien“ machen. Das immerwährende schlechte Gewissen, wenn die Zeit mit seinem Sohn oder der Tochter durch SMS, E-Mail oder Statusmeldungen sozialer Netzwerke unterbrochen wird.

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© Brittani Burns (Unsplash)


Sie wollen mehr Zeit, am liebsten 30 Stunden-Tage, damit alles a) geschafft werden kann und b) alle glücklich sind. Die Ehefrau, weil Sie in der gleichen Falle steckt. Das Kind, weil es Zeit mit den Eltern verbringen will, um den wichtigsten Bezugspersonen in dem noch jungen Leben die eigene Welt zu zeigen und, das vor allen Dingen, mit den Eltern eben diese Dinge auch zu erLEBEN. Das wollen wir doch auch. Nichts liegt uns ferner und kein Elternteil möchte immer nur hören, was passierte oder dazugelernt wurde. In der Kita. In der Schule. In der Freizeit. Wir wollen auch mal dabei sein und diese Dinge erLEBEN. Denn das gehört doch zu einem Familienleben dazu. Leben – das ist doch dieses Ding indem alles perfekt läuft? Oder etwa nicht?

So, und jetzt die Preisfrage: Wer hat denn schon einmal „das Leben“ erlebt, das wie ein Länderspiel lief? Abgesehen von der eigenen Kindheit oder der Sturm-und-Drang-Zeit als junger Erwachsener, in der man lediglich für sich selbst zuständig war. Als Student hast Du Deine Woche selbst geplant. Montags morgens Vorlesung? Pffft. Eben gerade so viel nebenher arbeiten, dass die nächste Nacht von Freitag auf Sonntag auch finanziert werden konnte. Altersvorsorge? Pffft. Kann ich ja auch noch später machen.

Dann aber passiert es. Unweigerlich mit dem Einstieg ins Berufsleben. Dem Professor war es Latte, ob Du nun in der Vorlesung sitzt oder eben nicht. Aber Kollegen, Kunden und Dienstleister zählen auf Dich und plötzlich bist Du nicht mehr entbehrlich. Kannst Dich nicht mehr wegducken. Und dann hast Du einen Partner oder eine Partnerin, mit der Du auch durchs Leben gehen willst. Und irgendwann passiert es, dass Du nicht nur Mann sondern auch Vater bist.

Alle wollen jetzt was von Dir. Und Du machst Altersvorsorge. Und du legst Geld für Dein Kind weg. Alle Träume müssen erst einmal hinten anstehen: Der Trip durch die USA, der Youngtimer, die Harley oder der Segelflugschein. Weil Du kein Geld und vor allen Dingen keine Zeit mehr hast.

Kollege Jens Stratmann, seines Zeichens selbstständiger Blogger, bringt es wie folgt auf den Punkt: „Ohne Kita und Ganztagsbetreuung würde es im Familienverbund (wo beide Partner arbeiten) nicht mehr gehen. Kommen da die Kinder zu kurz? Was ist wenn mal ein Termin platzt, etwas nicht nach Plan läuft? Äussere Einflüsse den Stress erhöhen? Dann droht der Familien-Burnout.“

Droht der Familien-Burnout wirklich? Sind wir als Familie in der heutigen Gesellschaft wirklich so bemitleidenswert? Brauchen wir staatliche Regelungen, damit keiner mehr meckert? Ober brauchen wir den 30-Stunden-Tag?

Ich sage Nein! Und ich habe mich von der im Artikel beschriebenen Idealvorstellung verabschiedet. Denn sie gibt es nicht. Es ist immer was. Über die kaputte Waschmaschine bei leerer Kasse lächle ich mittlerweile müde. Oder wenn der Wagen mal wieder rumzickt. Oder wenn der Kita-Elternabend ansteht, obwohl ich nach sechs Stunden Schlaf und neun Stunden Arbeit eigentlich total fertig bin, und ich genau weiß, dass ich danach noch einen Text für DADDYlicious schreiben muss.

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Und ja, ich nehme mein Smartphone in die Hand, wenn ich am Wochenende mit meinem Sohn spiele, oder er in der Badewanne hockt. Weil es eben nicht anders geht und Dinge geregelt werden müssen, die in ein antikes Arbeitswelt-Konstrukt „Mo-Fr / Nine-to-five“ einfach nicht mehr passen. Und ja, ich gehe auch mal am Samstag zum Fußball. Ohne Familie und mit den Jungs. Bin ich jetzt ein schlechter Vater? Ich glaube nicht. Bin ich Mitglied der „überforderten Generation“? Manchmal ja und manchmal nein. Und das ist auch gut so, denn wenn Du nicht gefordert wirst, dann kannst Du auch Deine Komfortzone nicht verlassen oder Deinen Horizont erweitern.

Ja, es ist mehr Stress. Aber es ist auch eine Sache der Einstellung. Und vieles, was wir lesen malt ein Schreckensbild und erzählt von kaputten Menschen. Ich habe auf jeden Fall noch keinen Daddy und keine Mama im Bekanntenkreis getroffen, die daran kaputt gegangen sind. Weil Sie sich arrangieren. Jeder kommt da auch mal zu kurz. Dadurch sind wir aber keine schlechten Eltern, die stehen nämlich in der BILD-Zeitung. KEEP CALM AND DADDY ON!

Fotocredits: Titelbild: ©rangizzz, Grafik: DADDYlicious

Mark Bourichter
Mark Bourichter
Mark Bourichter ist Vater von Henri, Baujahr 2012. Er macht seit über zehn Jahren was mit Medien. Seine Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis und dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation.

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