Der Wecker klingelt um 6:30 Uhr. Schnell einen Kaffee, Brotdosen packen, Kinder wecken, Frühstück machen, Schulranzen suchen und dann irgendwie noch pünktlich ins erste Meeting kommen. Wer Kinder hat, weiß: Der Alltag ist eine tägliche Herausforderung. Kein Wunder also, dass sich berufstätige Eltern genau überlegen, ob ihr Arbeitgeber das Leben erleichtert oder vielleicht sogar zusätzlich erschwert. Eine neue Langzeitstudie von XING1, veröffentlicht zum Internationalen Tag der Familie am 15. Mai, zeigt nun schwarz auf weiß: Eltern sind wechselwilliger als Beschäftigte ohne Kinder. Aber auch klarer in ihren Erwartungen.
Warum Eltern häufiger über einen Jobwechsel nachdenken
Ein überraschender Befund der XING-Studie: Nur 30 Prozent der befragten Eltern mit Kindern im Haushalt möchten in den nächsten fünf Jahren beim derzeitigen Arbeitgeber bleiben. Bei Beschäftigten ohne Kinder liegt dieser Wert deutlich höher, nämlich bei 43 Prozent. Diese Differenz ist nicht zufällig. Denn während Kinderlose ihren Alltag flexibler organisieren können, stoßen Eltern oft an Grenzen: starre Arbeitszeiten, Präsenzpflicht im Büro, wenig Verständnis für kurzfristige Ausfälle wegen kranker Kinder oder fehlende Betreuungsmöglichkeiten in den Ferien, alle diesen Themen können schnell zur beruflichen Belastungsprobe werden.

Als häufige Wechselgründe nennen Eltern neben finanziellen Aspekte auch fehlende Aufstiegschancen (34 %) und Unzufriedenheit mit den aktuellen Aufgaben (33 %). Auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens spielt für sie eine größere Rolle (31 %) als für Kinderlose (27 %). Weniger ins Gewicht fallen dagegen Gründe wie ein hohes Stresslevel oder der Wunsch nach Abwechslung. Und das ist durchaus nachvollziehbar. Denn Eltern erleben den Alltag ohnehin als ständigen Perspektivwechsel zwischen Kita, Küche und Konferenzraum.
„Wertvolle Arbeitskräfte nicht verlieren“
Thomas Kindler, Managing Director von XING, bringt es auf den Punkt:
„Eltern ist angesichts der Doppelbelastung vor allem eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. Es ist möglich, dass die Erfahrung von Eltern im alltäglichen Multitasken zu einem leicht niedrigeren Stressempfinden im Job führt – aber auch dazu, dass sie weniger Lust auf Abwechslung als Beschäftigte ohne Kinder haben.“
Doch auch wenn Eltern offenbar resilienter gegenüber Alltagsstress sind, heißt das nicht, dass sie sich mit schlechten Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeber zufriedengeben. Im Gegenteil: Sie wissen oft sehr genau, was sie brauchen und auch, was nicht mehr funktioniert.
Was Eltern zum Bleiben bewegt
Wer Eltern als Mitarbeitende behalten will, muss liefern. Und das nicht mit Obstkörben und Tischkickern, sondern mit echten, alltagsrelevanten Angeboten. Klar zählen insbesondere die anderen Mitarbeiter*innen und die Aufgaben bei der Zufriedenheit im Job. Aber auch die Work-Life-Balance ist für 50 Prozent der Eltern ein zentraler Bleibegrund, bei Kinderlosen liegt der Wert dafür nur bei 34 Prozent. Dahinter folgen eine gute Führungskraft (33 %) sowie Weiterbildungsmöglichkeiten (23 %). Auch die Jobsicherheit spielt mit 63 Prozent eine wichtige Rolle. Kein Wunder angesichts steigender Lebenshaltungskosten, der Unsicherheit bei der Kinderbetreuung und der Sorge um finanzielle Stabilität in Krisenzeiten.

Flexibilität statt Freizeitstress
Eine der wichtigsten Stellschrauben für Unternehmen und Arbeitgeber ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Dabei geht es nicht nur um Homeoffice, sondern um echte Zeitsouveränität. Wenn das Kind um 15 Uhr abgeholt werden muss, darf der Termin um 16 Uhr eben nicht Pflicht sein. Wer seine Arbeitszeiten selbstbestimmt legen kann, ist leistungsfähiger – und zufriedener.
66 Prozent der befragten Eltern wünschen sich genau das von einem neuen Arbeitgeber. Hinzu kommt der Wunsch, nicht an Wochenenden oder Feiertagen arbeiten zu müssen. Das ist ein klarer Appell gegen die „Always on“-Mentalität, die sich durch mobile Endgeräte längst in viele Familien eingeschlichen hat. 56 Prozent der Eltern geben an, dass sie auf freie Wochenenden besonderen Wert legen. Wieder ein Wert, der bei Kinderlosen mit 45 Prozent deutlich geringer ausfällt.
Geld ist nicht alles – aber eben doch wichtig
Dass 70 Prozent der Eltern ein höheres Gehalt erwarten, überrascht kaum. Kinder kosten viel, von der Kita über Kleidung und Schulbücher bis hin zu Freizeitaktivitäten. Wer hier als Arbeitgeber mit überholten Gehaltsstrukturen aufwartet, wird im Wettbewerb um Fachkräfte verlieren.
Dennoch geht es Eltern nicht nur um Geld. Auch emotionale Sicherheit und Unterstützung im Alltag sind ausschlaggebend. 40 Prozent der Befragten mit Kindern würden sich für ein Unternehmen entscheiden, das bei der Kinderbetreuung hilft, zum Beispiel mit Zuschüssen, Plätzen in der betrieblichen Kita oder Kooperationen mit Einrichtungen vor Ort. Unternehmen, die solche Modelle anbieten, punkten nicht nur bei Eltern, sondern profilieren sich auch als moderne Arbeitgeber.
Familienfreundlichkeit sichtbar machen
Ein weiteres Hindernis bei der Jobsuche: Befristete Arbeitsverträge. Sie schrecken 61 Prozent der Eltern von einer Bewerbung ab – selbst dann, wenn die Bezahlung stimmt. Diese Zahl verdeutlicht den Wunsch nach Verlässlichkeit und Planbarkeit, den gerade Familien brauchen. Auch andere Faktoren wie eine schlechte Führungskultur (47 %), ein ungünstiger Standort (46 %) oder fehlende Homeoffice-Optionen (22 %) führen dazu, dass Unternehmen bei Eltern durch das Raster fallen.

Hier zeigt sich: Familienfreundlichkeit darf kein leeres Schlagwort sein. Es muss sich in Struktur, Kommunikation und Kultur eines Unternehmens widerspiegeln. Wer zwar mit Teilzeitoptionen wirbt, aber gleichzeitig Meetings auf den späten Nachmittag legt, sendet widersprüchliche Signale.
Mehr als nur Elternzeit: Was moderne Väter erwarten
Besonders spannend: Die Studie wirft auch einen Blick auf die Bedürfnisse von Vätern und deckt damit eine Lücke in der öffentlichen Diskussion. Denn noch immer wird Familienfreundlichkeit oft mit Müttern assoziiert. Doch auch Väter wollen heute präsent und aktiv in der Erziehung sein. Sie nehmen Elternzeit, kümmern sich um Hausaufgaben und fahren zum Kinderarzt. Doch in vielen Unternehmen wird das Engagement von Vätern im Familienalltag immer noch nicht ernst genommen oder sogar belächelt.
Gerade moderne Väter erwarten vom Arbeitgeber, dass ihre Lebensrealität nicht nur akzeptiert, sondern aktiv unterstützt wird. Sie wünschen sich ein echtes Verständnis für Familienzeiten, die Möglichkeit zu individuellen Arbeitszeitmodellen und Entwicklungsperspektiven auch in Teilzeit oder nach Elternzeit.
Fazit: Eltern sind nicht kompliziert – sie sind konsequent
Eltern wissen, was sie brauchen und was sie nicht mehr akzeptieren. Sie wollen nicht mit Werbeslogans oder Benefits ohne Substanz umworben werden, sondern mit konkreten Angeboten: mehr Flexibilität, verlässliche Strukturen, gerechte Bezahlung und ein respektvoller Umgang mit ihrer Rolle als Eltern. Wer das bietet, hat nicht nur motivierte, loyale und leistungsfähige Mitarbeitende, sondern auch einen echten Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fachkräfte.
Oder wie es Thomas Kindler treffend formuliert:
„Wer Eltern hier die richtigen Angebote macht, kann wertvolle Arbeitskräfte an das Unternehmen binden.“
- Die XING-Studie basiert auf einer forsa-Online-Befragung von 3.413 sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen im Januar 2025. Unterschieden wurde zwischen Beschäftigten mit und ohne Kinder im Haushalt. Erfasst wurden u. a. Jobzufriedenheit, Wechselbereitschaft sowie Wünsche an Arbeitgeber. Die Studie läuft seit 2012 und kombiniert feste Vergleichsfragen mit aktuellen Themen. ↩︎