„Social Media ist das Gift unserer Zeit“, sagt Maximilian Knack. Der 21-Jährige ist mit Gameboy, Computer und Smartphone aufgewachsen, ein „digitale native“ also. Seinen erlernten Beruf des Bankkaufmanns hat er hingeworfen und „SMILE.“ gegründet. In Vorträgen an Schulen und Elternabenden zeigen er und sein Geschäftspartner Max Prochazka, wie gefährlich und suchtmachend soziale Medien sind. Wir wollten mehr darüber wissen und haben ihn zum Interview getroffen.
Philip Hauck: „Du benutzt dein Smartphone sehr häufig. Eine Handysucht ist sehr wahrscheinlich. Bitte überdenke deine Nutzung und nehme dir Zeit für wichtigere Dinge im Leben.“ Dieses Ergebnis hat der Handysucht-Test auf www.smile-youth.de für mich ausgespuckt hat. Was mache ich denn jetzt?
Maximilian Knack: Das Problem zu erkennen, ist der erste Schritt zur Veränderung. Für alle, die ihre wertvolle Lebenszeit weniger am Handy verbringen wollen, sich mehr Achtsamkeit im Alltag wünschen, haben wir mit dem Regensburger Coach Johannes Mödl ein eBook entwickelt, das Veränderung bringen soll. Es nennt sich „Der smarte Weg vom Smartphone weg – das Workbook“ und das würde Dir sicherlich helfen.
Gibt es „Rettung“ für die, die nicht mehr ohne Smartphone können? Oder hilft da nur, den Suchtstoff ganz aus dem Leben zu verbannen?
Maximilian Knack: Tatsächlich handelt es sich genau wie bei Zigaretten oder Alkohol um eine echte Sucht, bei der sogar genau das gleiche Gehirnareal angesprochen wird. Nur, dass Rauchen unserer Lunge schadet und Social-Media der Psyche zusetzt. Besonders groß kann die negative Wirkung junge Menschen in der Findungsphase, insbesondere in der Pubertät sein. Das heißt nicht, dass man komplett darauf verzichten muss – es gibt einfache Methoden für den Alltag, die Bildschirmzeiten sukzessive zu. Eine kleine Maßnahme mit großer Wirkung wäre beispielsweise, die Benachrichtigungen am Smarthphone zu deaktivieren.
Als Vater habe ich großen Einfluss auf meine Kinder und muss mit gutem Beispiel vorangehen. Was ist die Grenze (in Stunden?), wie viel digitaler Konsum pro Tag ist für die unterschiedlichen Altersgruppen akzeptabel?
Maximilian Knack: Eltern sind sogar die größten Vorbilder für ihre Kinder, ob bewusst oder unbewusst. Wer selbst viel am Handy hängt, seinen Kindern aber anderes predigt, wird wenig Erfolg haben. Viele Eltern, auch an unseren Elternabenden, glauben fälschlicherweise, dass es bei der Bildschirmzeit genaue Grenzen gibt. Vielmehr sollte individuell auf die Situation daheim geschaut und dann mit Maß entschieden werden. Was konkret Social Media betrifft: Wir empfehlen 30 bis 90 Minuten am Tag auf die einzelnen Apps zu verteilen. Und selbst das ist für viele utopisch (wenig).
Ihr gebt neben den Kursen für Eltern auch Vorträge an Schulen. Wie viel „Media“ konsumieren Fünftklässler pro Tag – und was ratet ihr den Kids?
Maximilian Knack: Wenn ich in einer fünften Jahrgangsstufe unseren „unsocial media“-Vortrag halte, lasse ich ein paar Schüler ihre täglichen durchschnittlichen Bildschirmzeiten nachsehen und die dann live im Saal auf Lebenszeit hochrechnen. Was wir haben, sind Bildschirmzeiten von zwei bis acht Stunden, allein am Smartphone. Das macht locker elfeinhalb Jahre, die ein Jugendlicher bis zum Lebensende am Handy verbringen würde. Weil die Bildschirmzeiten so unterschiedlich sind, versuche ich, die Kinder mit ganz viel Motivation wachzurütteln und die Bildschirmzeiten langsam anhand unserer Strategie zu reduzieren, die alle nach unseren Vorträgen und Workshops mitbekommen.
Wo lauern die großen Gefahren für einen jungen Menschen im Netz? Lässt er sich von den schnellen Eindrücken auf Facebook, Instagram und TikTok nachhaltig formen und beeinflussen?
Maximilian Knack: Die größte Gefahr – noch vor Cyber Mobbing und Fake News – sehe ich in den ständigen Aufwärts-Vergleichen, denen junge Menschen auf Social Media ausgesetzt sind, weil es genau das ist, was Minderwertigkeitsgefühle auslöst und im schlimmsten Fall Depressionen oder gar Selbstmordgedanken begünstigen kann. Kurz gesagt: Die Generationen Z und neuerdings Alpha wachsen in einer Welt voller Fake-Perfektion und Insta-Einsamkeit auf.
Konsum ist das eine, Bilder und Videos aktiv von sich selbst mit der Welt teilen das andere. Sind sich Kinder und Jugendliche im Klaren, dass das Internet nicht oder nur langsam vergisst?
Maximilian Knack: In vielen Fällen nicht, da fielen mir viele erschreckende Beispiele ein. Oft scheitert es an der Aufklärung zuhause. Auch deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, an Schulen zu gehen und aufzuklären – von jungen Menschen für junge Menschen. Was wir nicht machen, ist den Finger zu erheben und klug daher zu schwätzen.
Wer Pornographie sucht, der findet sie auch. Wie können Eltern ihre Kinder davor schützen und wie gelingt der Selbstschutz?
Maximilian Knack: Das stimmt. Die Wahrheit ist, wir werden keinen Jugendlichen in Gänze davon abhalten können. Eltern haben jedoch die legitime Möglichkeit, betriebssysteminterne Kinderschutzeinstellungen vorzunehmen oder zum Beispiel Google Family Link zu installieren. Beim Selbstschutz ist ganz viel Kommunikation und Aufklärung nötig, am besten in der Schule.
Ist Social Media wirklich nur Gift oder gibt es auch gute Seiten?
Maximilian Knack: Mit dem Satz „Social Media ist das Gift unserer Zeit“ wollen wir polarisieren. Selbstverständlich gibt es gute Seiten: Menschen haben sich dank sozialer Netzwerke nach Jahren wiedergefunden, Organspender konnten gezielt ihre Hilfe anbieten und damit Leben retten, Kreative haben Plattformen, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Wenn wir verstehen, Social Media als Tool im Alltag mit Maß und Verstand zu verwenden, können wir Millionen von Menschen erreichen, sie für gute Zwecke mobilisieren und damit auch die Welt ein Stückchen besser machen.
Lieber Maximilian, vielen Dank für deine hilfreichen Antworten. Wir wünschen Euch mit SMILE weiterhin ganz viel Erfolg und werden es verfolgen. Auch passend zum Thema auf Social Media, also Instagram und Facebook.
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© Titelbild Antoni Shkraba (Pexels)