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RatgeberGesundheitMeine Erfahrung mit dem RS-Virus: 3 Nächte auf der Isolierstation

Meine Erfahrung mit dem RS-Virus: 3 Nächte auf der Isolierstation

Grippewelle, RSV-Epidemie und allerlei andere Infektionen sorgen dafür, dass Klassenzimmer leer und Krankenhäuser voll sind. Das macht mich wütend, auch, weil ich schon 2019 mit meiner Tochter in einer überfüllten Notaufnahme und der Diagnose „RS-Virus“ viele schlimme Stunden verbracht habe. Drei Jahre später ist die Lage an den Kliniken noch dramatischer.

Der Februar 2019 hat mein Leben als Vater nachhaltig geprägt. Wie ein Schwarzweißfilm laufen noch heute die Stunden in meinem Kopf ab, die ich nachts voller Sorge in der Kinder-Notaufnahme verbracht habe.

Angefangen hat alles als „ganz normale Erkältung“ bei unserer damals einjährigen Tochter. Husten, Schnupfen, Fieber – das Standardprogramm. Am dritten Abend verschlechterte sich der Zustand. Das Fieber ließ sich nicht mehr senken, sie atmete flach und war kaum ansprechbar.

Während meine Frau noch telefonisch Rat bei Mutter und Schwester einholte, stand ich um Mitternacht mit gepackten Taschen im Flur und bestand darauf, ins Krankenhaus zu fahren.

Diagnose: RS-Virus

Dort waren wir nicht die einzigen. Ein Notfall nach dem anderen rauschte herein, am Ende saßen wir fast sechs Stunden im Wartezimmer. Die Diagnose des Kinderarztes: „Ihrer Tochter geht es nicht gut.“ Es folgten Röntgenaufnahmen und die Einweisung auf Station. Der Abstrich lieferte dann Gewissheit: RS-Virus, auch RSV und kurz für respiratorisches Synzytial-Virus.

Nach einer durchgemachten Nacht folgte ein Tag auf einem Krankenbett am Gang. Außer Fieberzäpfchen (Ibuprofen und Paracetamol im Wechsel) gab es nichts für meine Tochter. Erst am späten Abend bekam sie ein Bett auf der Isolierstation, voll mit hustenden Kindern, piependen Maschinen und einem intravenösen Zugang für Antibiotikum.

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© Ante Samarzija (Unsplash)

Ich war heilfroh, dass meine Frau die Nacht dort verbrachte und ich nach Hause fahren „musste“. Trotzdem bekam ich total aufgewühlt kein Auge zu und bin gleich im Morgengrauen wieder ins Krankenhaus gefahren.

Drei Tage vorgespult: Es ging Valentina schnell besser und wir durften nach Hause. Völlig übermüdet, am Ende unserer Kräfte, aber überglücklich, dass die Nummer durchgestanden war.

Besorgte Eltern und volle Kliniken

Was wir 2019 bei der RSV-Epidemie erlebt haben, müssen in diesem Winter 2022 noch viel mehr Eltern und Kinder durchmachen. Ein Beispiel aus den News: Weil sie kein Intensivbett für ihr krankes Baby fand, raste eine Frau quer durch Nordrhein-Westfalen. Hier ist die Meldung dazu.

Es macht mich wütend, dass sich die Überlastungs-Situation an Kinderkliniken nicht gebessert hat. Im Gegenteil: Aktuell schlagen Kinderärzte landauf landab Alarm – alle sind am Limit. Kinderstationen sind überbelegt, das Personal ist knapp und die Medikamente fehlen. Katastrophe.

Nicht nur das RS-Virus breitet sich derzeit wie ein Lauffeuer aus. Auch die Influenza-Welle schwappt mit voller Wucht über Deutschland, Corona macht nur einen geringen Anteil aus. Das schreibt das Robert-Koch-Institut in seinem aktuellen Wochenbericht. Demnach hat die Gesamtrate der akuten Atemwegs­erkrankungen „…das Niveau erreicht, das zum Höhe­punkt der schweren Grippe­welle in der Saison 2017/18 beobachtet wurde“. Damals starben im Verlauf einer heftigen Grippewelle 25.000 Menschen.

Warum sind so viele krank? Sind die Masken schuld?

Haben Viren und Bakterien leichtes Spiel, weil unser Immunsystem aus dem Training gekommen ist?  „Nein“, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) in der Apotheken-Umschau. Das Immunsystem funktioniere nicht wie ein Muskel, der schwächer wird, wenn man ihn weniger benutzt.

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© Kelly Sikkema (Unsplash)

Allerdings ist es durch die Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie zu einem Rückstau von Infektionen gekommen. Denn mit Erkältungsviren infizieren wir uns in unserem Leben immer wieder, weil die Immunität nicht ewig hält. Viele Infektionen werden also infolge der fallenden Corona-Regeln nachgeholt. In diesem Jahr trifft es also zwei Jahrgänge, auch mit dem RS-Virus.

Was ist das RS-Virus und wie erkenne ich es bei meinem Kind?

Für Erwachsene bedeutet RS meist nur einen Schnupfen, wenn überhaupt. Für Säuglinge und Kleinkinder kann das Virus aber lebensbedrohlich werden. Ein verminderter Sauerstoffgehalt kann eine Beatmung notwendig machen. 

Kinder haben oft tagelang hohes Fieber, das sich kaum oder nur schwer senken lässt. Sie atmen kurz und schnell, bekommen schwer Luft. Aus Erfahrung sage ich: Vertraut auf euren Instinkt. Wenn es eurem Kind ungewohnt schlecht geht, lasst es untersuchen.

Die gute Nachricht: In den meisten Fällen verläuft eine RSV-Infektion wie eine fiese Erkältung. Und selbst wenn ein Kind im schlimmsten Fall im Krankenhaus zwei, drei Tage lang Sauerstoff braucht, ist die Prognose gut. Eine RSV-Infektion heilt in der Regel folgenlos aus. So war das auch bei meiner Tochter Valentina. Die Erlebnisse in der überfüllten und überforderten Notaufnahme haben sich dennoch fest in mein Gedächtnis gebrannt.

Eine Impfung gegen RSV gibt es nicht. Kinder können es wieder bekommen, eine Immunisierung findet nicht statt. Allerdings äußern sich die Symptome, wenn Kinder älter sind, mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich weniger heftig. Für Frühgeborene und Kinder mit Vorerkrankungen raten Ärzte zu einer Antikörper-Immunisierung.

Die beste Vorsorge ist, auf die eigentlich selbstverständlichen Hygieneregeln zu achten und schniefende Geschwister und Großeltern so gut es geht von den Kleinsten fernzuhalten.

Im Internet läuft eine Petition, die schon über 80.000 Unterschriften hat. Sie ist an Gesundheitsminister Karl Lauterbach adressiert und fordert schnelles Handeln, um den Personalmangel in Kliniken und die Medikamentenknappheit zu beheben. Ich habe sie unterzeichnet. Und hoffe, dass sich dadurch die  Kapazitäten in Kinderkliniken verbessern und das Bewusstsein für die Missstände geweckt wird – auch außerhalb von verrückten Corona-Zeiten.

Titelbild © Vitolda Klein (Unsplash)

Philip Hauck
Philip Hauck
Philip kommt aus der Medienbranche, ist Redakteur bei einer Tageszeitung, nebenberuflich als Hochzeits-Fotograf tätig und zweifacher Papa. Mit der Familie wohnt er ländlich im schönen Franken. Ebenfalls nebenberuflich schreibt er Produkttests im Bereich Automotive und Technik.

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