Die 36 Falafelbällchen schickt der Himmel. Sie sind nicht nur superlecker und mit 5 Euro sensationell günstig, sie lassen sich zum Glück auch ohne Rest und Diskussionen durch sechs hungrige Familienmitglieder teilen. Es ist die Art von mathematischer Gleichung, die Fressneid und Streit verhindert. Wir stehen auf dem Naschmarkt mitten in Wien, umgeben von einem Babel aus Sprachen, Gewürzen und Düften, und merken zum wiederholten Mal, dass Wien nicht nur eine Stadt der Kaiser und Komponisten ist, sondern auch eine der Genießer.
Es ist das perfekte Finale für eine Reise, die uns von der prunkvollen Pracht der Hofburg zu den coolen Graffitis am Donaukanal und zu so vielem mehr geführt hat. Eine Stadt, in der wir vier Tage die perfekte Balance zwischen alt und neu, zwischen Sisi und Street-Art, zwischen Sachertorte und eben Falafelbällchen erlebt haben.
Wien, das ist die ultimative Mischung aus Paris, Berlin und München
Es hat die verzierten Prachtbauten und die breiten Boulevards von Paris, die unbändige, kreative Energie und die Street-Art von Berlin und die Gemütlichkeit und die Parks von München. Aber es hat auch dieses ganz eigene, wienerische Lebensgefühl, das sich in jedem Pflasterstein, jedem Kaffeehaus und jedem Kellnerlächeln wiederfindet.
Wir, das sind vier fast erwachsene Kinder zwischen grad noch 15 und fast 20, erfreulicherweise immer noch unterwegs mit den Eltern, auf der Suche nach Flair, Geschichte und Gegenwart. Keine klassischen Stadtführungen, keine starren Pläne – aber jede Menge Entdeckungen. Vom Stephansdom bis zur Donauinsel, vom Schloss Schönbrunn bis zum Schwimmen vor Hochhäuserkulisse. Wir haben in diesen vier Tagen nur einen Bruchteil dessen gesehen, was diese Stadt zu bieten hat. Es war also nur der Anfang. Und es war die perfekte Mischung aus Spontaneität und Glücksmomenten.
Tag 1: Kaiserliche Pracht und Krabbelkäfer
Schloss Schönbrunn – ein Spaziergang durch die Zeit
Wir beginnen stilvoll. Ein bisschen höfische Manier, ein bisschen royale Pracht – das Schloss Schönbrunn. Wer dachte, eine ehemalige Sommerresidenz der Habsburger sei nur etwas für Geschichtslehrer, irrt gewaltig. Um in jedem der 1441 Räume einmal genächtigt zu haben, bräuchte man knapp vier Jahre – so liest man in der ivie-App, die uns auf den vier Tagen durch die Stadt begleitet. Von den 1441 Räumen sind rund 40 zur Besichtigung freigegeben, die anzuschauen wirklich Spaß macht, auch den Kindern, die interessiert dem Audioguide zuhören.
Wir kaufen nur das Palastticket, das spannende Einblicke in höfisches Leben, Etikette und Exzesse gibt. Dass Kaiserin Sisi täglich drei Stunden für ihre Frisur aufbrachte, beeindruckt selbst meine 15-Jährige – und sie hat „Beautyroutinen“, von denen ich noch nicht mal was gehört habe. Manchmal muss man eben feststellen: Auch ohne Social-Media war das Leben der Royals eine einzige Show.



Im Schlosspark: Verlaufen erlaubt
Danach steht ein Spaziergang durch den riesigen Schlosspark auf dem Programm. Allein hier könnte man einen ganzen Tag verbringen. Wir bewundern die geometrische Pracht, laufen zur Gloriette und überlegen kurz, ob wir uns noch ein Ticket für den Irrgarten kaufen. Wir entscheiden uns dagegen (mit kleineren Kindern lohnt das aber sicher!) und sind trotzdem vollends begeistert. Die Aussicht über die Stadt ist so majestätisch, dass wir beim Blick über die perfekt getrimmten Hecken und die symmetrisch angelegten Beete, die vor Jahrhunderten schon Kaisern die Sprache verschlagen haben, ebenfalls fast andächtig feststellen: „Das ist schon ziemlich cool.“
Mittagspicknick mit Aussicht
Zurück in die Innenstadt mit dem öffentlichen Nahverkehr – die Vienna City Card macht’s möglich und lohnt sich, auch wegen der Rabatte bei vielen Museen und anderen Sehenswürdigkeiten. Unser Picknickplatz: der Burggarten. Palmenhaus zur Rechten, Hofburg zur Linken, Schmetterlingshaus im Blick. Besser kann man sich die mitgebrachten Käsebrote nicht schmecken lassen. Auch weil um uns herum erstaunlich wenig Touristen, sondern viele Wiener und Wienerinnen im Gras sitzen.
Must see: Naturhistorisches Museum
Nachmittags dann eines der – für Teenager sicher überraschenden – Highlights: das Naturhistorische Museum. Unendlich lange Fuchsbandwürmer, schimmernde Käfer, Elefanten, Meteoriten, Edelsteine und die älteste Venusfigur der Welt – die „Venus von Willendorf“. Über 30 Millionen Sammlungsobjekte! Wir verlieren uns in den Sälen, staunen, entdecken, vergessen die Zeit. Dieser Ort ist ein Pflichttermin – mit oder ohne Kinder.



Tag 2: Zwischen Siebensterngasse, Klangwelten und Schnitzelträumen
Die Wiener Grätzl-Tour: Wo die echte Seele wohnt
Wer Wien verstehen will, muss laufen. Und zwar nicht nur durch das erste Viertel, sondern durch die sogenannten „Grätzl“. Wir marschieren durch Josefstadt, Neubau und Spittelberg – charmante Bezirke voller Kopfsteinpflaster, versteckter Höfe, kunstvoller Hausfassaden. Die Josefstädter Straße, die Siebensterngasse, die Lindengasse: ein Paradies für Entdecker. Überall kleine Läden, unabhängige Labels, gemütliche Cafés. Es ist wie das kreative Herz Berlins, in der viel eleganteren, wienerischen Verpackung.
Kaffeehauskultur: Melange, Topfenstrudel und die Zeit, die stillsteht
Heutige Pause: das traditionsreiche Café Sperl. Es müssen nicht immer die in den Reiseführern zitierten Hotspots sein. Holzgetäfelte Wände, Billardtische und ein Topfenstrudel, der fluffiger ist als jeder Insta-Filter – mehr Wien geht nicht. Hier traf sich einst die Literaturszene, heute sitzen wir da, trinken Melange und schauen den Einheimischen beim Zeitunglesen zu. Die Zeit bleibt hier stehen, und das ist gut so.
Haus der Musik: Dirigieren lernen in 60 Sekunden
Vom Kaffeehaus zum Klangmuseum: Das interaktive „Haus der Musik“ wartet auf uns. Wir dirigieren ein virtuelles Orchester und merken, wie schwer das eigentlich ist. Wir hören, wie sich das Innenleben eines schwangeren Bauchs anhört, und hüpfen uns die Töne auf einer Treppe zusammen. Für kleinere Kinder sicherlich noch faszinierender – aber auch wir Großen haben Spaß. Eine interaktive Reise durch die Welt der Töne und Klänge und viele Infos, auch über die großen Komponisten der Stadt.



Weltkulturerbe trifft Wirtshausküche
Am Abend dann ein kulinarisches Juwel: der Waldviertler Hof. Man muss bei Figlmüller oder Plachutta kein kleines Vermögen für ein großes Schnitzel ausgeben. Hier geht es authentisch, gemütlich, bodenständig zu – und die Portionen sind so, dass auch die hungrigen Teenager nach einem langen Tag satt werden.
Tag 3: Katakomben, Street-Art und das Meer der Wiener
Stephansdom: Die Katakomben als Kontrapunkt
Wir starten zentral – am Stephansplatz, dem pulsierenden Herzen Wiens. Der Stephansdom ist nicht nur Wahrzeichen, sondern Zeitzeuge. Wir steigen hinab in die Katakomben – düster, spannend, leicht gruselig. Die Kinder sind beeindruckt von den Gräbern, Schädeln und geheimen Gängen. Oben tobt das Leben, unten herrscht Stille. Und Geschichte. Und es macht uns klar: Wien hat nicht nur ein oberirdisches Leben, das man vom Turm des Doms aus sehen kann, sondern auch eines in der Tiefe.
Das erste Viertel: Ein Spaziergang durch die Geschichte Europas
Wir lassen uns treiben. Vorbei an der Staatsoper, der Hofburg, der Spanischen Hofreitschule. Ein kurzer Blick in die Nationalbibliothek – ein Muss für alle Booknerds. Vorbei am Uhrenmuseum laufen wir zum Judenplatz, wo das Mahnmal an die 65.000 ermordeten österreichischen Juden erinnert. Eine bewegende, spürbare Geschichte, die uns inmitten der Schönheit alle nachdenklich macht.

Donaukanal: Hipster-Paradies trifft auf Graffiti-Kultur
Nachmittags dann Tapetenwechsel. Wir laufen den Donaukanal entlang. Der einstige Industriekanal hat sich zum hippen Hotspot entwickelt. Bunte Graffiti, Open-Air-Bars, junge Leute mit Kopfhörern und Hunden. Zwischen Sofas aus Europaletten und Hängematten gibt es Limo, Beats und beste Stimmung. Ein perfekter Ort für eine Pause, um die Füße hochzulegen und die junge, pulsierende Seite Wiens zu genießen.
Fast noch ein Geheimtipp: das Karmeliterviertel
Danach queren wir den Donau-Kanal und landen im Karmeliterviertel. Plötzlich wird alles ein bisschen leiser, intimer, gewachsener. Unser Geheimtipp: ein entspannter Snack auf dem Karmeliterplatz, umgeben von Wiener Alltag.

Donauinsel: Das Meer der Großstadt
Schon ziemlich erschöpft fahren wir mit der U-Bahn zur Donauinsel – Wiens grünem Freizeitparadies mitten in der Stadt. Zwischen Wildwiesen, Radwegen und Grillplätzen finden wir eine freie Bank, schlüpfen in die eingepackten Badehosen und hüpfen ins Wasser, tauchen unter und lassen die Hitze des Tages zurück. Die Skyline des nördlichen Wiens im Hintergrund, das Wasser angenehm kühl. Wir schwimmen einmal ans gegenüberliegende Ufer in der Gewissheit, in einer der tollsten Städte der Welt zu sein. Großstadt mit Freibadgefühl – ziemlich genial.
Tag 4: Auf Rädern, im Rausch und mit orientalischem Ende
Wien auf zwei Rädern: Fahrtwind im Gesicht und Graffiti im Blick
Unser letzter Tag. Wir mieten WienMobil-Räder, die überall verfügbar und günstig sind. Wir cruisen am Donau-Kanal entlang, vorbei an der Wandkunst und dem Badeschiff – dieses Mal leider ohne Badesachen, aber mit Fahrtwind im Gesicht und Sonne im Nacken – bis zum Prater.
Prater: Wo Nostalgie und Adrenalin sich die Hand geben
Hier ist alles möglich: Das weltbekannte Wiener Riesenrad und waghalsige Olympia-Loopings, Autoscooter und Zuckerwatte. Das Wiener Pendant zum Freizeitpark ist irgendwie charmant. Auch hier stellen wir fest, dass es trotz Hochsaison überraschend entspannt und nicht überlaufen zugeht. Nervenkitzel verbindet: Wir schreien, lachen, fotografieren. Man fühlt man sich für einen Moment wieder wie ein Kind – egal wie alt man ist.


Naschmarkt: Das perfekte Falafel-Finale
Bevor unser Aufenthalt zuende geht, kehren wir noch am Naschmarkt ein. Orientalische Düfte, Stimmengewirr, Marktstände, Cafés. Unser Geheimtipp: 36 (!) Falafelbällchen für fünf Euro. Für müde Teenager und hungrige Eltern gleichermaßen ein Segen. Ein Ort, der die Multikulturalität Wiens perfekt widerspiegelt und uns einmal mehr zeigt, dass Wien nicht nur Schnitzel zu bieten hat.
Fazit: Wien, du hast uns begeistert
Im Auto sind die Beine schwer (laut App haben wir in vier Tagen fast 100.000 Schritte gemacht), die Handys voller Bilder, die Köpfe noch viel mehr. Der Sohn, der erst in drei Jahren Abitur macht, checkt schon mal die Angebote von kleinen Einzimmerwohnungen. Ich sage nichts. Aber ich lächle.
Wien ist mehr als Fiaker und Kaffeehaus. Es ist eine Stadt, die Jugendliche genauso abholt wie Erwachsene. Eine Stadt voller Parks, Prunkbauten und Pop-up-Kunst. Vier Tage reichen nicht. Aber sie reichen, um zu wissen: Wien ist eine tolle Stadt für Familien mit fast erwachsenen Kindern. Und wir kommen sicher wieder. Diese Stadt ist nicht nur ein Reiseziel, sie ist ein Lebensgefühl.
Hier findet ihr übrigens noch mehr Inspiration für euren nächsten Familienurlaub.
Alle Bilder von © Anna Schütz
War sehr interessant eure Wientour. Super geschrieben und wir haben euch mal wieder gesehen. Ein bisschen haben wir gerätselt who is who?