Familienleben

Getrennt aber stark: Welche Trennungsmodelle Kindern wirklich guttun

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Ein Beitrag von Jennifer Floris

Wenn Eltern sich trennen, geraten nicht nur ihre eigenen Lebensentwürfe ins Wanken, sondern vor allem auch die innere Welt ihrer Kinder. Alles, was zuvor vertraut war, verändert sich. Der Alltag wird neu organisiert, Bindungen verschieben sich, Loyalitäten geraten ins Schwanken. Inmitten dieser Umbrüche stellen sich Eltern eine zentrale Frage: Wie lässt sich das Leben nach der Trennung so gestalten, dass Kinder nicht zwischen die Fronten geraten?

Drei Betreuungsmodelle werden im Falle einer Trennung der Eltern besonders häufig diskutiert. Jedes hat seine Berechtigung, jedes bringt Herausforderungen mit sich. In meiner Arbeit mit Familien erlebe ich, wie wichtig es ist, nicht das eigene Bedürfnis in den Mittelpunkt zu stellen, sondern konsequent das Kindeswohl. Für Väter bedeutet das: präsent bleiben, Orientierung bieten und Verantwortung übernehmen.

Das Residenzmodell mit erweitertem Kontakt: Alltag mit klarem Mittelpunkt

Beim klassischen Residenzmodell lebt das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil. Der andere Elternteil, häufig der Vater, verbringt regelmäßige Wochenenden oder Ferientage mit dem Kind. Dieses Modell bietet klare Strukturen und feste Bezugspunkte, was für viele Kinder beruhigend wirkt.

Kritisch wird es, wenn die Wochenenden zur einzigen Verbindung werden. In der Praxis führt das nicht selten dazu, dass Väter sich vom Alltagsleben ihres Kindes entfremdet fühlen. Kinder wiederum erleben den Vater nicht als Teil ihres normalen Lebens, sondern eher als Wochenendfigur mit Sonderstatus.

Väter sollten dieses Modell durch regelmäßige, unter der Woche stattfindende Kontakte ergänzen. Ein fester Nachmittag pro Woche, zum Beispiel mit Hausaufgabenhilfe, Kochen oder einfach Zeit im Park, schafft emotionale Nähe und Kontinuität. Wichtig ist, dass diese Zeiten zuverlässig eingehalten werden. Kinder brauchen Rituale, auf die sie sich verlassen können.

Das Wechselmodell: Gleichberechtigung mit Risiken

Im paritätischen Wechselmodell lebt das Kind abwechselnd bei beiden Eltern. In der Regel verbringt es eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater. Dieses Modell wird häufig als fair empfunden, weil beide Elternteile gleichermaßen Verantwortung übernehmen.

Doch was sich für Erwachsene logisch und gerecht anfühlt, ist für viele Kinder emotional belastend. Der ständige Ortswechsel verlangt ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Viele Kinder berichten, dass sie sich nirgendwo wirklich zu Hause fühlen. Statt Stabilität erleben sie einen andauernden Übergangszustand.

Das Wechselmodell sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn Eltern in räumlicher Nähe zueinander wohnen, gut kommunizieren können und das Kind ein hohes Maß an emotionaler Stabilität aufweist. Wichtig ist eine exakte Abstimmung der Abläufe, etwa in Schule, Freizeitgestaltung und Erziehung. Ohne ein hohes Maß an Kooperation und Kommunikationsbereitschaft beider Elternteile birgt dieses Modell erhebliche Risiken.

Flexible Modelle mit unregelmäßigen Wechseln: Kompromiss oder Chaos?

Einige Eltern entwickeln individuelle Betreuungspläne, etwa drei Tage hier, vier Tage dort oder wöchentliche Verschiebungen je nach Arbeitsplan. Was als Ausdruck von Flexibilität gemeint ist, wirkt auf Kinder oft verwirrend. Sie wissen nicht, wann sie wo sein werden, verlieren die Übersicht und können sich emotional kaum orientieren.

Gerade in hochbelasteten Trennungssituationen versuchen Eltern, eigene Bedürfnisse oder berufliche Anforderungen in komplexe Zeitmodelle zu übersetzen. Das Ergebnis ist häufig ein unsteter Alltag, der Kindern das Gefühl von Sicherheit nimmt.

Wenn individuelle Modelle gewählt werden, sollten sie in feste Wochenpläne überführt werden. Wichtig ist eine visuelle Darstellung des Wechsels für das Kind, zum Beispiel mit einem Kalender im Kinderzimmer. Veränderungen sollten frühzeitig angekündigt und gut erklärt werden. Grundsätzlich gilt: Je verlässlicher die Struktur, desto geringer das Risiko emotionaler Belastung.

Das Entscheidende ist nicht das Modell, sondern die Haltung

Unabhängig vom gewählten Betreuungsmodell kommt es entscheidend darauf an, wie Eltern miteinander kommunizieren und wie konsequent sie das Wohl ihres Kindes in den Mittelpunkt stellen.

Trennungen gehen oft mit starken Emotionen einher. Verletzungen, Schuldzuweisungen oder Missverständnisse gehören zur Realität. Entscheidend ist, diese Konflikte nicht auf das Kind zu übertragen. Es braucht das Gefühl, bei beiden Eltern sicher und angenommen zu sein.

Kinder sind nicht das Bindeglied eines Konflikts, sondern eigenständige Persönlichkeiten mit Bedürfnissen und Ängsten. Sie erleben die Trennung oft als persönlichen Bruch und suchen Orientierung. Väter, die in dieser Phase Verlässlichkeit zeigen, sind für ihre Kinder ein stabiler Anker.

Was Väter konkret tun können

Viele Väter fürchten, durch die Trennung an Einfluss auf die Erziehung zu verlieren. Manche erleben sogar, dass sie im Alltag kaum noch eine Rolle spielen. Umso wichtiger ist es, aktiv in Beziehung zu bleiben – nicht nur als Besucher, sondern als erziehender, emotional zugewandter Elternteil.

Präsenz statt Perfektion: Ein Vater muss nicht alles richtig machen, aber er muss da sein. Das gilt für Elternabende ebenso wie für Alltagsrituale.

Verantwortung übernehmen: Auch wenn der Alltag beim anderen Elternteil stattfindet, können Väter Verantwortung zeigen. Das beginnt bei Gesprächen mit Lehrkräften und endet bei der Mitwirkung an Entscheidungen über Freizeit, Schule oder Gesundheit.

Offene Kommunikation pflegen: Wer Fragen stellt, zuhört und sich ehrlich für die Gedanken und Gefühle seines Kindes interessiert, schafft Vertrauen.

Eigene Bedürfnisse reflektieren: Es ist verständlich, dass Väter Zeit mit ihrem Kind verbringen wollen. Entscheidend ist aber, ob diese Zeit dem Kind Stabilität bietet oder eher einem elterlichen Wunsch folgt.

Kooperation mit der Mutter ermöglichen: Auch bei schwieriger Beziehungsebene sollte das Gespräch gesucht werden – gegebenenfalls mit Hilfe Dritter. Mediation kann helfen, Kommunikationswege wiederherzustellen.

Haltung, Verantwortung und Kooperationsbereitschaft sind gefragt

Es gibt kein universell richtiges Modell für alle Familien. Die Lebensrealitäten sind vielfältig, die Bedürfnisse der Kinder unterschiedlich. Was jedoch alle Modelle eint: Sie erfordern eine Haltung der Achtsamkeit, Verantwortung und Kooperationsbereitschaft.

Väter, die bereit sind, aus der Perspektive des Kindes zu denken, die eigene Kränkung zu reflektieren und echte Nähe gestalten, bleiben wichtige Bezugspersonen. Auch – und gerade – nach einer Trennung.

Kinder brauchen kein perfektes Familienmodell, aber Eltern, die sie lieben, verstehen und begleiten. Und das ist auch nach einer Trennung möglich, selbst wenn die Familie nicht mehr unter einem Dach lebt.

Über Jennifer Floris

jennifer floris

Jennifer Floris ist Expertin für pädagogisch-psychologisches Mentoring und Gründerin der Praxis Floris sowie des Floris Instituts. Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet sie als Dozentin für Psychologie und Pädagogik, ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und verfügt über Zusatzausbildungen in Kunsttherapie, Traumatherapie und Hypnose. Mit ihrem innovativen Mentoring-Ansatz unterstützt sie Fachkräfte, Eltern und Betroffene bei Themen wie ADHS, Mobbing, Autismus und Digital Detox.

Die Praxis Floris bietet deutschlandweit Seminare und Schulungen für Fachkräfte und Quereinsteiger, während das Institut durch digitale Innovationen, wie die kommende App und den Podcast „Brückenbauer“, neue Maßstäbe setzt. Ihr Fokus liegt auf praktischen, inklusiven Lösungen und der Förderung eines bewussten Umgangs mit Kindern und Jugendlichen.

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