Das bepackte Kofferkacken
»Schatz, hast du deinen Koffer bereits gepackt?«, fragte mich meine angeheiratete Ehefrau, als ich noch dabei war, laut zu überlegen, ob ich den schwarzen oder lieber doch den blauen Koffer mitnehmen sollte. Schwarz gehe eigentlich immer, sprach ich laut und deutlich aus, und blau – da müsse man schauen, in welcher Farbe etwa das Hotel, wo wir hinwollen, gestrichen ist, damit das dann passt. »Außerdem müsse der Kleiderkasten farblich auch mit der Badehose korrespondieren, nicht wahr?«, fuhr ich unbeirrt fort und holte zum finalen Manöver aus: »A propos: Soll ich die Badehose vor dem Urlaub eigentlich bügeln, Schatz? Was meinst du?«
Kopfschüttelnd verließ sie den Raum und meine Taktik ging auf. Manchmal versuche ich, meiner geduldigen Frau vorsätzlich auf die Nerven zu gehen, damit ich die Dinge, für die ich noch keine Routine erarbeitet habe, nicht erledigen muss. Natürlich hatte ich einen Tag vor dem Urlaub keinen Koffer gepackt. Und das schon seit vielen Jahren nicht mehr.
Denn ich packe ausschließlich Jutetaschen und Rucksäcke. Ich bin in unserem Familienverbund, der aus einer Frau, drei Söhnen, zwei Koffern und mir besteht, für die urlaubsbedingte Elektronik zuständig.
Bluetooth-Lautsprecher, Notebook, Kamera, HDMI-Streaming-Stick, Ladegeräte aller Art, Taschenlampen, Bewegungslichter, um in fremder Ferne nachts nicht über schlafwandelnde Kinder zu stolpern, Batterien und Verlängerungskabel fallen in MEINEN Packpflichtbereich. Koffer und deren Inhalte nicht. Warum meine Frau mich dennoch jedes Jahr damit konfrontiert, ist mir ein Rätsel. Ein mindestens genauso mysteriöses wie die korrekte Anordnung des schmutzigen Geschirrs in der Spülmaschine, die ich trotz 2.817 Versuchen in den letzten 11 Jahren (ja, ich führe Buch) noch nicht verstanden habe.
Müsste ich für den Urlaub selbst Klamotten einpacken, weil mich meine Frau eines Tages wegen meines Packunvermögens verlassen sollte oder einfach nur keine Lust mehr hätte, Koffer zu stopfen, wäre es nach all den Jahren gerecht. Doch wüsste ich nicht einmal, womit ich beginnen sollte. Bluetooth-Lautsprecher, Notebook, Kamera, HDMI-Streaming-Stick, Ladegeräte aller Art, Taschenlampen, Bewegungslichter, um in fremder Ferne nachts unfallfrei die sanitären Anlagen finden zu können, Batterien und Verlängerungskabel kriegte ich noch hin. Mehr aber nicht.
Bei dem Rest würde ich höflich meine Kinder zum Helfen verdonnern. Schließlich sind sie noch wesentlich kleiner als ich und ihre Augen auf komfortabler Kofferpackhöhe. Aber darum würde ich mich später sorgen, in ein paar Jahren – wenn es dann so weit ist. Denn dieses Mal hatte es meine Frau noch übernommen. Und das sogar, ohne mich zu bestrafen. »Damit du selbst etwas lernst«, sagte sie.
Der Mythos der ruhigen Autofahrt
Die Nacht auf der Couch war gemütlicher als gedacht. Ich durfte nach der Koffer-Aktion nämlich doch nicht mehr ins Schlafzimmer. Offiziell, weil ich so laut schnarchte, hieß es durch die verschlossene Tür. Ich hatte noch überlegt, nachts aufzustehen und extra laut durchs Schlüsselloch durchzuschnarchen, nur um meine Frau zu bestrafen, habe aber ärgerlicherweise dann doch durchgeschlafen und freute mich – fit wie selten – sogar auf die bevorstehende Autofahrt. Auf die Autofahrt, bei der mein Jüngster laut durchsingen, mein Mittlerer alle 20 Meter die restliche Strecke erfragen und mein Ältester meiner Frau und mir laut vorwerfen wird, als ältester geboren worden zu sein.
Wäre er stattdessen als jüngster oder wenigstens als mittlerer Sohn von seiner fahrlässigen Mutter (sic!) zur Welt gebracht worden, müsste er sich jetzt nicht den Quatsch der beiden Kleinen anhören und könnte stattdessen die ganze Fahrt über durchsingen oder wenigstens alle 20 Meter nach der verbliebenen Strecke fragen. Ja, das stand uns in wenigen Stunden für mehrere Stunden bevor. Dennoch hatte ich gute Laune und öffnete die Dachkiste, die noch seit dem letzten Familienurlaub an den Querstangen klebte.
Nachdem ich die 500 abschließbaren Liter mit den von meiner Frau bündig gepackten Koffern inklusive deren mysteriösen Inhalts, Taschen, Schlitten, Decken und Keschern (mein Jüngster fängt zwar erfolglos, aber gerne Schmetterlinge im Winter) gefüllt hatte, kontrollierte ich noch einmal sämtliche Steckdosenanschlüsse im Haus, schaltete das Modem ab, verschloss alle Fenster und prüfte die Programmierung der Rollladenautomatik. Schließlich sollten Einbrecher während unserer Abwesenheit es ja nicht ganz so leicht haben. Jeder Einbrecher weiß: Wenn Rollläden abends schließen, ist jemand im Haus. Selbst wenn alles ruhig ist und das Licht seit Tagen nicht mehr anging. Vielleicht müssen die Bewohner wegen aktueller Preise ja Energie sparen, denken die Einbrecher dann…
Sitzordnung auf dem Weg in den Urlaub
Eine große Diskussion über Lieblingsplätze im Auto führen wir nicht, denn die beiden Kleinen können nur hinten sitzen. Hin und wieder tauschen sie aber die Seiten. Beziehungsweise läuft das Ganze dann so ab, dass einer von ihnen, warum auch immer, ganz dringend und ausgerechnet heute auf dem Sitz des anderen sitzen muss, der andere seine Argumentation jedoch nicht nachvollziehen will und mit sachlichem Gebrüll kontert. Erst kleine gegenseitige Bestechungen und unsere Vermittlungsversuche sowie Versprechen, das Autofahrt-Hörspiel als Streitgeschädigter zuerst auswählen zu dürfen, können den Initiator eines solch unerwarteten Problems besänftigen.
Der Große, der laut Gesetzgeber nicht einmal mehr das Sitzbänkchen braucht, residiert in der hinteren Mitte und hält sich vornehm und manchmal auch ein bisschen selbstgefällig aus der lautstarken Diskussion der Kleinen heraus. Meine Frau oder ich fahren auf dem Beifahrersitz. Wer von uns, hängt davon ab, ob das Auto gerade mies oder sehr gut geführt wird.
Die 37. Frage danach, ob wir schon da seien, überhörte ich, als wir auf die Autobahn auffuhren. Denn gerade in diesem Moment meldeten sich die anderen beiden, weil sie dringendst auf die Toilette mussten. Zwei Minuten zuvor mussten sie definitiv noch nicht, das wusste ich. Das muss diese Urlaubsaufregung sein, von der alle reden. Den Vorschlag des Ältesten, ihm meinen Kaffee-Thermobecher zu nicht genannten Zwecken zu reichen, ignorierte ich noch und schwelgte in nostalgischen Erinnerungen an die praktische Pinkelflasche, die ich selbst nach dem vorigen Urlaub abgeschafft hatte, um den Kindern endlich Pinkelverantwortung beizubringen.
Die erste Auszeit ist genommen und das Navigationsgerät zeigt noch 312 Kilometer und 700 Pinkelpausen an, bis wir endlich im Süden sind. In wenigen Stunden würden wir ankommen. Ratet mal, wer dann die Koffer auspacken darf. »Damit du endlich was richtig machst, wenn du schon so mies fährst«, sagt der Inhalt des Beifahrersitzes und ich muss gegen das eigene Nicken ankämpfen.
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