Dieser Moment, in dem man(n) erfährt, dass man Vater wird! Unbeschreiblich. Und wollen wir ehrlich sein? Der Beginn des Kopfkinofilms namens „me and my child“. Ob wir es uns eingestehen wollen oder nicht: Insgeheim haben wir schon lange ein Bild davon, welche Art Vater wir sein werden. Wird es ein Junge, dann sind wir die Tobepartner, Fußballtrainer, Verbündeten im schelmischen Tobemodus gegen Mama. Oder wird’s eine Tochter? Eine Prinzessin? Klar, dann kommt der Beschützer-Papa auf den Plan, der sich vom Hundeblick verzaubern lässt und in der ersten Reihe sitzt bei der Ballettvorführung. Stimmts?
Mal ganz abgesehen davon, dass diese Kopfkino-Zukunftsvisionen in den seltensten Fällen Drehbuch-gerecht ablaufen (Gott sei Dank, das wäre ja langweilig), kommt es mehr als häufig vor, dass der Plan des neuen Erdenbürgers ein komplett anderer ist. Was ist jetzt das schon wieder? „Hochsensibel“? Der Nachfolger der „ADHS“-Welle? Krankheit? Schublade? Nein, das ist es nicht. Nichts von alledem. Es ist lediglich ein Persönlichkeitsmerkmal, dass es schon immer gab und auch immer geben wird. Nun ist es leider so, dass dieses in der Zeit, in der wir leben nicht gerade dem sogenannten Norm-Idealbild eines Jungen oder gar eines Mannes entspricht.
Feinfühlige Jungs, nachdenkliche Mini-Philosophen, sorgentragende Empathen laufen Gefahr komplett verkannt zu werden. Und dies nicht nur im Außenleben, leider auch häufig innerhalb der Familie. Die Veranlagung zur Hochsensibilität ist erblich bedingt. Dies bedeutet, dass meist mindestens ein Elternteil ebenso gestrickt ist. Hat nun beispielsweise der Vater von klein auf erlebt, dass sich ein Mann nicht so „benehmen“ soll, sondern hart, laut und robust aufzutreten hat, so gibt er das im schlimmsten Fall auch ebenso an den gegebenenfalls zartbesaiteten Stammhalter weiter. Vielleicht aber auch aus dem Grund, dass er selbst Ablehnung erlebt hat und nun mit den allerbesten Motiven die denkbar falscheste Erziehungstaktik fährt – nämlich die des „Abhärtens“.
Ob dies nun ein Plädoyer für das in Watte packen kleiner Jungs werden soll, mag sich der ein oder andere skeptische Leser fragen. Mitnichten. Wie soll denn ein Kind – egal welchen Geschlechtes – lernen die Herausforderungen des Lebens zu meistern, wenn es nicht gelernt hat, dies Schritt für Schritt eigenständig zu tun. Aber als ein Plädoyer für Perspektivenwechsel könnte man diese Zeilen durchaus bezeichnen. Ein Aufruf zur Würdigung der stilleren, zarteren Männer von morgen. Nicht alle hochsensiblen Kinder sind introvertiert, ein Großteil jedoch schon.
Doch vielleicht sollte ich erst einmal zusammenfassen, was charakteristisch ist, für hochsensible Kinder. Vorab muss ich jedoch gleich betonen, dass dies nur ein grober Umriss ist und es natürlich auch viele normal sensible Sprösslinge gibt, die die ein oder anderen Charakteristika aufweisen. Die Tiefe des Empfindens ist hier ausschlaggebend. Weshalb ich die Kinder so nenne, wie ich es gleich tun werde, erkläre ich später…
Superfühlkrafthelden sind (oft)
… eher introvertiert, als extrovertiert
… beobachtend und abwartend, bevor sie etwas Neues wagen
… sehr tiefgründig und nachdenklich, auch in altersuntypischen Themenbereichen
… (scheinbar) übertrieben empfindlich, was Kleidung betrifft; Etiketten, Nähte, kratzige Stoffe
… weniger begeistert von Lärm
… schnell überfordert, wenn plötzliche Planänderungen oder Veränderungen im Allgemeinen eintreten
… sehr empfindsam und spiegelnd, was die Stimmung um sie herum betrifft
… schnell unter Leidensdruck, wenn sie Hunger oder Durst haben
… stark empathisch
… Körperkontakt mit anderen (beim Sport, Oma-Besuch, …) abgeneigt
… überdurchschnittlich gerechtigkeitsbedürftig.
All diese Aspekte – und natürlich noch unzählige weitere und individuelle – können nun natürlich positiv wie auch negativ ausgelegt werden. Und das ist es, worauf ich hinaus möchte. Ganz überzogen mal dargestellt: Jetzt haben wir einen Sohn, der in das Schema „hochsensibel“ passt. Wir erklären ihm barsch, er solle nun die kratzigen Schilder im Nylon-Wollpulli aushalten, die wären nicht schlimm. Und damit er lernt „härter“ zu werden, melden wir ihn zum Box-Training an. Essen gibt’s, wenn es auf dem Tisch steht, und wer jammert, wird als „Jammerlappen“ bezeichnet. Was genau haben wir dann? Einen zukünftigen Mann, der entweder ganz genau so sein mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso sensibles Kind von einer subjektiv unerträglichen Situation in die nächste bringt, oder einen Mann, der ohne Selbstwertgefühl mit der Überzeugung lebt, dass mit ihm etwas nicht stimmt.
Was aber, wenn wir unserem kleinen Jungen zuhören? Ihn spüren lassen, dass er großartig ist, genau auf seine Art? Wenn wir ihm erklären, dass er ein Superheld ist? Vielleicht nicht der Super-Box-Ring-Held und womöglich auch nicht der Held des Fußballplatzes – sehr wohl aber ein SuperFÜHLKRAFTheld? Was, wenn wir ihm zugestehen, seine sensible Seite auszuleben und diese wertzuschätzen? Nach wie vor spreche ich hier nicht vom verpönten „verhätscheln“. Das Beste, das einem solchen Superhelden passieren kann ist es, wenn seine Eltern die an die Durchschnittsnorm gekoppelten Anforderungen beiseite lassen und sich ganz eigene, individuelle und am Sohnemann angepasste kreieren. Förderung und Forderung Schritt für Schritt anwachsen lassen.
Es ist kein Geheimnis, dass Buben sich in ihrem Männerbild für gewöhnlich am Papa orientieren. Ist der Thronfolger nun ein hochsensibler, dann sitzt jeder enttäuschte Blick um ein vielfaches tiefer als Einschnitt im Herzen, aber auch jede Wertschätzung so unendlich viel strahlender.
Papas, seid euch eurer Macht bewusst. Ihr seid die Superhelden eurer Söhne. Lasst sie spüren, dass sie das auch für euch sind. Seien es Superfußballhelden, Superrangelhelden, Supermathehelden oder Superfühlkrafthelden. Ihr habt es in der Hand, was eure Jungs von sich denken.
Wenn ihr euch in diesem Thema wiederfindet, dann findet ihr detailiertere Infos auf www.high-sensitivity.de. Sehr gerne kann ich auch mein Buch empfehlen: „Henry mit den Superkräften“.
- Neumann, Petra(Autor)
Eine Leseprobe und Details dazu findet ihr auf meiner Facebook-Seite.
Herzlichst
Eine Superfühlkraftmama namens Petra Neumann
Titelbild © Sunny studio (Fotolia)