Ein Gastbeitrag von Jana Alles
Viele Väter kennen das Bild: Ihr Kind nuckelt gedankenverloren am Ärmel, kaut an den Fingernägeln oder dreht nervös an den Haaren. Was auf den ersten Blick wie ein harmloser Tic wirkt, entwickelt sich im familiären Alltag schnell zu einer Belastungsprobe. Wiederholte Ermahnungen und gut gemeinte Verbote zeigen kaum Wirkung – stattdessen verschärft sich die Situation häufig noch. Während Eltern verzweifelt versuchen, diese Angewohnheiten in den Griff zu bekommen, geraten sie selbst und ihr Kind schnell in einen Kreislauf aus Frust und Unsicherheit.
Dabei lohnt sich ein genauerer Blick hinter das Verhalten: Denn gerade diese Verhaltensweisen sind selten reiner Unwille oder schlechte Angewohnheit – sie haben meist einen tieferen Ursprung. Was hinter diesem Tic steckt und wie Väter ihren Kindern wirklich helfen können, erfahren Sie hier.
Hinter dem Verhalten steckt mehr als nur eine schlechte Angewohnheit
Wenn ein Kind regelmäßig an den Nägeln kaut, an Haaren zupft oder auf der Kleidung herumkaut, ist das selten ein reines „Angewohnheitsproblem“. Meist steckt ein Versuch dahinter, mit inneren Spannungen umzugehen; ähnlich wie viele Erwachsene bei Stress zur Zigarette greifen, mit dem Kugelschreiber klicken oder nervös mit dem Bein wippen.
Gerade Kinder verfügen noch nicht über die sprachlichen oder emotionalen Werkzeuge, um ihre Gefühle angemessen auszudrücken. Was bei Erwachsenen als Burnout, Gereiztheit oder Rückzug sichtbar wird, äußert sich bei Kindern häufig in körpernahen Kompensationsstrategien. Diese Art der Selbstregulation ist erstmal keine „Störung“, sondern ein Hinweis darauf, dass etwas im inneren Gleichgewicht nicht stimmt. Wird das Verhalten von den Eltern ausschließlich als störend wahrgenommen und konsequent unterbunden, entsteht zusätzlicher Druck und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Verhalten verstärkt oder auf andere Weise wiederholt.

Der elterliche Umgang als Schlüssel zur Veränderung
Gerade für Väter stellt das eine große Herausforderung dar. Häufig besteht der Impuls, sofort eingreifen und das Verhalten „abstellen“ zu wollen. Schließlich möchte man helfen, die Situation kontrollieren oder schlicht dafür sorgen, dass das Kind sich „normal“ verhält, besonders in der Öffentlichkeit oder im Beisein anderer.
Doch dieser Impuls ist häufig Teil des Problems. Wenn das Kind durch Strafen, Ermahnungen oder scharfe Worte unter Druck gesetzt wird, fehlt die Möglichkeit, über die eigentlichen Ursachen zu sprechen. Stattdessen entsteht ein Kreislauf: Das Kind erlebt emotionale Spannung, sucht nach einem Ausweg, wird für diesen Weg getadelt und erlebt dadurch noch mehr Stress.
Ein erster Schritt kann sein, die eigene Reaktion zu reflektieren. Was triggert das eigene Verhalten als Elternteil? Ist es Hilflosigkeit, Scham oder der Wunsch nach Kontrolle? Was sind die eigenen Schmerzpunkte? Solche Fragen können Vätern helfen, sich selbst zu entwickeln und die Verbindung zu ihrem Kind zu stärken.
Kinder brauchen Begleitung, keine Bekämpfung
Was Vätern helfen kann ist, das Verhalten des Kindes nicht zu ignorieren, aber auch nicht unmittelbar zu korrigieren. Vielmehr geht es darum, den inneren Zustand zu erkennen, der hinter der Handlung steht.
Wenn ein Kind häufiger zum Nägelkauen neigt, kann das ein stiller Ausdruck von Überforderung, Angst oder innerer Unruhe sein. Anstatt das Symptom zu bekämpfen, lohnt es sich, nach der Ursache zu fragen. Gab es Veränderungen im Alltag? Konflikte im sozialen Umfeld? Oder ein Gefühl von Unsicherheit, das im Familienleben vielleicht unbemerkt geblieben ist, verbunden mit dem inneren Druck, sich als Kind mitteilen zu wollen und dennoch nicht verstanden zu werden?
Väter können hier eine entscheidende Rolle einnehmen. Nicht durch belehrende Worte, starre Regeln oder gar Anschreien oder Erniedrigung, sondern durch ein aufmerksames, unterstützendes Verhalten.

Druck rausnehmen, Verbindung stärken: Ein Umgang, der wirklich hilft
Es braucht keine umfangreichen Methoden, um das emotionale Gleichgewicht im Familienalltag zu stärken. Entscheidend ist jedoch nicht nur, was wir tun, sondern wie wir mit dem Kind in Beziehung treten. Innerer Druck entsteht meist durch wiederholte Erfahrungen, in denen sich Kinder nicht gesehen oder verbunden fühlen – etwa wenn Gefühle unterdrückt, Verhalten kontrolliert oder mit Strafen und Belohnungen gearbeitet wird.
Wenn Eltern immer wieder sagen: „Hör auf damit“ oder „Nimm die Hände weg“, entsteht zusätzlicher Druck, der das Verhalten oft eher verstärkt, als es zu lösen. Für das Kind ist es in solchen Momenten viel hilfreicher, wenn seine Gefühle gesehen und angenommen werden. Statt ständiger Ermahnungen braucht es echte Verbindung und möglichst wenig Druck.
Besonders wichtig ist, das Verhalten nicht öffentlich zu kommentieren oder gar bloßzustellen. Wird ein Kind für etwas beschämt, das es selbst kaum beeinflussen kann, entsteht zusätzlicher Druck – genau der, der das Verhalten überhaupt erst auslöst oder verstärkt. Es ist möglich, dass Kinder dann lediglich auf andere Strategien ausweichen, die weniger auffallen, aber das zugrunde liegende Problem bleibt bestehen.
Eine starke Beziehung als Basis für Veränderung
Wenn das Verhalten nicht sofort als störend oder falsch bewertet wird, sondern als das gesehen werden kann, was es ist, nämlich ein Ausdruck von innerem Druck, verändert sich etwas. Kinder spüren, dass sie ernst genommen werden, auch wenn sie ihre Gefühle nicht in Worte fassen können. In einer Umgebung, in der Gefühle Platz haben und nicht unterdrückt werden müssen, können sie langsam neue Wege finden, mit Anspannung umzugehen. Und auch für Väter wird es leichter: weniger ständige Auseinandersetzungen, weniger Erschöpfung, mehr gegenseitiges Verständnis.
Fazit: Hinter dem Verhalten liegt die Chance zur Verbindung
Verhaltensweisen wie Nägelkauen oder Haaredrehen sind kein Zeichen von Trotz. Sie sind ein Ausdruck innerer Spannung, eine Form von Kommunikation, die über das Verhalten ihren Weg nach außen sucht.
Väter, die bereit sind, hinter die Fassade zu schauen und das Kind in seinem Erleben wahrzunehmen, können ihm Halt geben. Es geht nicht darum, etwas zu unterbinden, sondern darum, das Kind darin zu begleiten, einen anderen Umgang mit seinen Gefühlen zu finden. Wenn solche Signale verstanden werden, entsteht eine Verbindung, in der sich das Kind sicher fühlt.
Über Jana Alles:
Mit Smart Parents bietet Jana Alles ein Coaching an, das an der Ursache der Wut der Eltern ansetzt. Gemeinsam mit den Eltern geht sie Schritt für Schritt auf die Suche nach der Ursache ihrer Glaubenssätze. Es geht darum, den Ur-Schmerz aus der eigenen Kindheit sowie der Ahnenreihe und darüber hinaus zu finden. Das Ziel ist, dass die Eltern ihre Kinder empathisch, bewertungsfrei und bedürfnisorientiert begleiten können. Nur so kann das Kind mit Selbstwert und Selbstbewusstsein durchs Leben gehen und eine starke Verbindung zwischen Eltern und Kind bestehen. Mehr Informationen finden Sie hier.
