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RatgeberErziehungStudie der Bepanthen-Kinderförderung: Eltern geben unsolidarische Haltung weiter

Studie der Bepanthen-Kinderförderung: Eltern geben unsolidarische Haltung weiter

In der Vergangenheit haben wir Euch bereits von den Studien der Bepanthen-Kinderförderung berichtet, denn oft führen diese seit 2008 in Zusammenarbeit mit der Uni Bielefeld durchgeführten Sozialstudien zu spannenden oder auch erschreckenden Ergebnissen. Alle zwei Jahre finden die Forschungen zum Alltag von Kindern und Jugendlichen statt und liefern damit Zahlen und Fakten zu ihrer Lebenswelt. Neben den Kindern und Jugendlichen werden allerdings auch deren Eltern befragt. So lassen sich Entwicklungen noch besser erkennen und prognostizieren. Bei der letzten Studie ging es um den Gemeinschaftssinn von Kinder und Jugendlichen, also die Aspekte Empathie, Solidarität, Abwertung und Gleichgültigkeit – und den Einfluss der Eltern darauf. Wir fassen die Ergebnisse für Euch zusammen.

Eins vorab, denn es ist wichtig zu wissen: diese aktuelle Studie wurde vor der Corona-Pandemie durchgeführt. Da die Befragung und die dazugehörige Auswertung recht komplex ist, benötigt die Bepanthen-Kinderförderung dafür immer etwas längere Zeit. Und somit sind der ganze Streß durch die Isolation sowie die zusätzlichen Herausforderungen durch das Homeschooling hier nicht berücksichtigt. Sicherlich hätte das die Ergebnisse noch leicht verschoben. Denn eine der Erkenntnisse dieser Befragung lautet: Viele Eltern sind zuversichtlich und sehen ihre Kinder überwiegend nicht als Stress-Faktor. Fast 77 Prozent stimmen eher nicht oder gar nicht der Aussage zu „Mutter / Vater zu sein, stresst mich“. Das gilt für Mütter und Väter gleichermaßen. Rund 85 Prozent aller befragten Eltern sind zuversichtlich, wenn sie an die Zukunft ihres Nachwuchses denken. Es ist aber nicht alles nur positiv.

Unsolidarische Haltung wird weitergegeben

Der Leistungsglaube sowie ein hoher Notendruck einiger Eltern, schürt bei jungen Menschen Abwertungstendenzen gegenüber Randgruppen. Von den jungen Menschen, die besonders starke Abwertungstendenzen aufweisen, sehen sich rund 21 Prozent als „Versager“, 35 Prozent fühlen sich manchmal „nutzlos“. Mehr als ein Fünftel der befragten Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 Jahren (22 Prozent) verfügt lediglich über einen mangelhaft ausgeprägten Gemeinschaftssinn, bei den Jugendlichen ist es sogar ein Drittel (33 Prozent).

Zur Definition von Gemeinschaftssinn zogen die Wissenschaftler vier Dimensionen heran: Empathie, Solidarität, Gleichgültigkeit und Abwertung. Nach der Perspektive der Heranwachsenden wurden dann auch die Daten der mehr als 700 Eltern ausgewertet.
Mit Blick auf die einzelnen Gemeinschaftssinn-Faktoren zeigt sich nun: Eine unsolidarische Einstellung gegenüber Schwächeren wird offenbar von Generation zu Generation weitergegeben. Die Mehrheit der Kinder (6 bis 11 Jahre), deren Eltern wenig Solidarität aufweisen, zeigt sich ebenfalls nicht solidarisch – beispielsweise gegenüber Mitschülern, die ausgegrenzt werden. Stimmen die Eltern der Aussage „Wer schlecht behandelt wird, hat es in der Regel nicht besser verdient“ voll oder eher zu, so finden auch die befragten Sechs- bis Elfjährigen: „Wenn andere ein Kind nicht mögen, ist das Kind meistens selber schuld.“ Das gilt über alle Befragten hinweg.

Bepanthen-Kinderförderung Infografik Solidarität

Leistungsglaube führt zu Abwertungstendenzen

Besonders eine elterliche Gruppe fällt dabei auf: Eltern, die stark an Leistungsgerechtigkeit glauben („Wer sich anstrengt, erreicht auch etwas im Leben“), jedoch selbst einen eher niedrigen sozioökonomischen Status aufweisen, neigen zur Abwertung von Minderheiten und Randgruppen. Denn die Diskrepanz zur eigenen Stellung in der Gesellschaft erklären sie nicht durch ihr persönliches Handeln – sondern durch die These, andere Menschen würden unverdient bevorteilt. Diese Herabsetzung überträgt sich offenbar signifikant auf die Folge-Generation: Mehr als die Hälfte der Jugendlichen, deren Eltern zu dieser Gruppe gehören, zeigt eine überdurchschnittliche Abwertungstendenz gegenüber anderen.

Kinder und Jugendliche haben Angst, ihre Eltern zu enttäuschen

„Wir beobachten bei diesen Eltern zum einen Abwertungstendenzen, vor allem gegenüber Minderheiten, die vermeintlich Privilegien erhalten, zum anderen deutlich erhöhte Leistungserwartungen an die eigenen Kinder“, sagt Sozialpädagoge und Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler, der schon viele Studien der Bepanthen-Kinderförderung durchgeführt hat. Mit drastischen Auswirkungen: Fast die Hälfte (46 Prozent) der Kinder und rund 65 Prozent der Jugendlichen aus der durch traditionelle und autoritäre Sichtweisen geprägten Gruppe von Eltern haben Angst, Vater oder Mutter zu enttäuschen. Dabei spielen Schulleistungen über die Gesamtheit der Befragten hinweg eine große Rolle, unabhängig von Ideologie und sozioökonomischem Status. So sagt mehr als jeder Vierte (rund 26 Prozent) aller Befragten: „Wenn mein Kind schlechte Noten bekommt, bin ich sehr enttäuscht.“ 27 Prozent der Eltern machen sich außerdem Sorgen, ihr Kind nicht genügend zu fördern.

Eltern können Hilfsbereitschaft ihrer Kinder fördern

Die aktuelle Auswertung der Bepanthen-Kinderförderung bietet aber auch gute Nachrichten: In puncto Hilfsbereitschaft gegenüber Schwächeren wirken sich die Bemühungen von Eltern grundsätzlich positiv aus – offenbar auch über alle sozioökonomischen Schichten und Gruppen hinweg. Diesen Rückschluss lässt der Vergleich der Kinder-Antworten mit denen der jeweiligen Eltern zu: Geben die Eltern an, ihren Kindern beizubringen, Schwächeren zu helfen, so sagt auch die überwältigende Mehrheit (73 Prozent) der Kinder: „Wenn andere Kinder geärgert werden, versuche ich zu helfen.“ Nur 4 Prozent der Kinder, deren Eltern dieser Aussage zustimmen, lehnen sie selbst ab.

Infografik Bepanthen-Kinderförderung

Empathie wird weitergegeben

Auch beim Gemeinschaftsfaktor Empathie zeigen sich Zusammenhänge zwischen Eltern und Jugendlichen: Je höher der elterliche Empathiescore, umso größer ist der Anteil von Jugendlichen, die den Aussagen „Es macht mich traurig, ein Mädchen zu sehen, das niemanden zum Spielen findet“ oder „Es macht mich traurig, wenn ich sehe, dass ein Junge verletzt wird“ zustimmen. Bei den Jugendlichen mit Eltern, die einen hohen Empathiewert aufweisen, antworten 83 beziehungsweise 87 Prozent bei diesen Fragen mit „stimmt“. Bei den Jugendlichen, deren Eltern einen niedrigen Empathiescore aufweisen, sind dies nur 61 beziehungsweise 58 Prozent.

Hier gibt es mehr Infos zu der Initiative und den Studien der Bepanthen-Kinderförderung.

Alle Bilder und Grafiken: © Bepanthen-Kinderförderung

Kai Bösel
Kai Bösel
Kai Bösel ist Patchwork-Dad von drei Kindern, die eigene Tochter Mika ist im April 2012 geboren. Der Hamburger ist Online-Publisher und betreibt neben Daddylicious auch das "NOT TOO OLD magazin" inklusive Podcast. Außerdem schreibt er für ein paar Zeitschriften und Magazine und hilft Kunden und Agenturen als Freelance Consultant. Nach dem Job entspannt er beim Laufen oder Golf.

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