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RatgeberErziehungRangordnung und Rudelbildung in der Kita

Rangordnung und Rudelbildung in der Kita

Gestern war es mal wieder soweit. Die BILD-Zeitung betitelte einen pseudowissenschaftlichen Artikel mit „Kinder-Psychologie: Die Hackordnung im Kindergarten“. Von Mitläufern, Leadern und den Schüchternen ist die Rede. Und von Selbstbewusstsein und wie man es den Kindern beibringt: Alleine den Müll runterzubringen.

Das KiTa und Kindergarten in einen Topf geworfen werden, lassen wir jetzt mal außen vor. Schließlich richtet sich der Artikel (leider) an die breite Masse. Diplom-Psychologe Michael Thiel kommt zu Wort, der in vielen Dingen Recht hat. Eingebettet in den Text der Redaktion geht das leider ein wenig unter bzw. bekommt einen unprofessionellen Beigeschmack. Der Tipp am Ende des Artikels (nicht von Herrn Thiel) schießt den Vogel ab: Selbstbewusstsein bringe man dem eigenen Kind bei, wenn es alleine den Müll runterbringt. Richtig, dann muss Vaddi ja auch nicht mehr vom Sofa aufstehen und Muddi kann ihm in der Zeit ein Kronen Export aus dem Kühlschrank holen. Schließlich ist ja Fußball-WM und der Tag auf Maloche war mal wieder anstrengend.

Mir fehlen die Worte. Richtig ist, dass Kinder ab dem Kita-Alter lernen, sich sozial in eine Gruppe zu integrieren. Ganz natürlich – wenn Sie Ihre Zeit in der Kita verbringen. Mit der Zeit finden Sie Ihren Platz. Richtig ist auch, dass es unterschiedliche Charakterrollen gibt. Wie in jeder Gruppe. Es gibt die Leader, die Anführer der Bande. Es gibt die Jungs und Mädchen, die sich unterordnen und es gibt Kinder, die sich das Treiben eher nur anschauen ohne sich wirklich an der Hackordnung zu beteiligen. Und es wird auch die Außenseiter geben, für die so ein Tag in der Kita kein Spaß ist.

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© Tanaphong Toochinda (Unsplash)

Es ist die Aufgabe der Erzieherinnen, der Abspaltung ein wenig entgegenzuwirken. Aber die Hauptaufgabe übernehmen hier immer noch die Eltern. Sie sind die Bezugspersonen, von Ihnen gucken sich die Kinder Verhaltensweisen ab. Hier lernen Sie Artikulation und Worte wie „Bitte“ und „Danke“. Und mit dem Vater und der Mutter lernen Sie, Ihre Komfortzone zu verlassen. Eltern sollten den Kindern Sicherheit geben, wenn Sie Ihre Komfortzone verlassen. Wenn Sie zum ersten Mal alleine auf der Rutsche sitzen, im Laufrad den Hügel herunterfahren, das erste mal einen Hund streicheln oder das Nachbarskind auf dem Spielplatz fragen, ob sie auch einen Keks haben dürfen. Es sind genau diese Dinge, die Kindern soziales Verhalten lernen. Und Mut. Und Courage.

Was völlig fehlt, ist die Betrachtung des Altersunterschiedes bei den Kita-Kindern. Gerade die Kleinen und Neulinge bekommen erst einmal etwas auf die Mütze. Alleine wegen des Altersunterschiedes und der damit verbundenen Einschränkung beim Spielen, Basteln oder Toben. Sicherlich kommen Sie gerade zu Beginn nicht immer mit bester Laune nach Hause oder wollen am nächsten Tag nicht mit Freude in die Kita. Werden Sie älter, dann geben Sie das Erlebte an die kleineren, neuen Kinder weiter. Das ist ein ganz normales Verhalten. Auch die BILD-Leser müssen deswegen nicht direkt zum Psychologen rennen. Und außerdem gibt es Entwicklungsgespräche und Eltern-Abende.

Ein Vater hat auf unserer Facebook-Seite sein Prinzip beschrieben: VENÜ!

V…ormachen
E…rklären
N…achmachen
Ü….ben

VENÜ bedeutet, nicht nur Zeit mit den Kindern zu VERbringen, sondern Ihnen etwas BEIzubringen. Das geht natürlich schlecht mit ´ner Flasche Kronen Export auf dem Sofa. Dann bleibt vielleicht nur die Ansage, den Müll runterzubringen um sich anschließend selbst auf die Schulter zu klopfen. Alles richtig gemacht. Stand ja auch in der Zeitung.

Titelbild © BBC Creative (Unsplash)

Mark Bourichter
Mark Bourichter
Mark Bourichter ist Vater von Henri, Baujahr 2012. Er macht seit über zehn Jahren was mit Medien. Seine Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis und dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation.

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