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Kolumne: Sechserpäckchen – „Max, der Zeitreisende“

Ich bin noch immer ein treuer Freund klassischer Klaviermusik. Da gehört Beethoven unbedingt mit dazu, und Felix Mendelssohn-Bartholdy hat schon auch ganz hübsch was komponiert für den gehobenen Klimperkasten. Zu den unsrigen Tastenkünstlern in Ausbildung zählen Pauline, Leopold, Valentin und nicht zuletzt Maximilian, der es sich schon im Alter von 5 Jahren nicht nehmen lassen wollte, erste musikalische Fingerübungen vorzunehmen. Zwar schwankt die Leidenschaft für das Klavierspielen schon erheblich, aber weil ihm kürzlich das hiesige Gemeindeblatt eine tolle Kritik für den Vortrag eines frühen Menuett von Mozart ausgestellt hat, ist sein Motivationspolster aktuell gut ausgefüllt. Nur gut, dass Mozart kein Nazi war, andernfalls wäre die Luft längst raus…

Max ist nämlich seit einiger Zeit hochinteressiert an der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte. Unvermittelt macht er konkrete Angaben zu den politischen und gesellschaftlichen Zuständen zwischen 1933 und 1945, und das ist nicht immer leicht verdaulich. Wissen doch sicher die Meisten von uns, was weitestgehend böse und menschenverachtend war in diesem Zeitraum. Fängt aber ein knapp Zehnjähriger damit an, erklären und verstehen zu wollen, was uns Deutsche heute noch mahnt, niemals zu vergessen, ist das eher gegen die übliche Erwartung. So ist er auf die Person Hitler ebenso neugierig wie auf die Ideologie des Nationalsozialismus in ihren ganz unterschiedlichen Facetten und Ausdrucksformen. Anhand der Spezialausgabe eines Kindermagazins, das sich altersgerecht um Informationen und Antworten zu einem thematischen Monstrum bemüht, formt Max seine spezifische Neugier und leitet daraus seine immer wieder auch überraschenden Fragen ab. Ich gestehe, dass ich aufgrund seines Alters selbst immer wieder mal die Stirn runzle über derlei gewollte Nähe zu historischen Abgründen. Gleichzeitig finde ich es großartig, dass ihm Dinge durch den Kopf gehen, die anderswo längst abgehakt sind oder als schlichtweg zu anstrengend gelten.

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Zudem belegen Statistiken, dass die Mehrheit junger Menschen – von sehr jungen ganz zu schweigen – sich nur wenig bis gar nicht für Politik interessiert, geschweige denn für Zeitgeschichte. Obwohl dafür ja auch die skandinavischen Wikinger oder die Welfen als ältestes deutsches Adelsgeschlecht herhalten könnten, von mir aus auch das alte Ägypten. Gerade entlang des Nils ging es ja früher richtig hoch her, was könnte das besser dokumentieren als die weit in den Himmel ragenden Spitzen der Pyramiden? Pharaonen und ihre spätere Gestalt als Mumien unterziehen wir aber sowieso noch in den großen Ferien einer genaueren Betrachtung, läuft doch dazu in Rosenheim eine tolle Ausstellung. Max hat bereits großes Interesse signalisiert, fast alle anderen ebenso. Geschichte kann nämlich ungeheuer spannend, kurzweilig und inspirierend sein. Gerade dann, wenn man versteht, dass erst die Vergegenwärtigung (längst) vergangener Ereignisse unser heutiges Leben nachvollziehbar macht. Wikinger zum Beispiel waren ja in Hinblick auf die Ernährung auch auf Fischfang spezialisiert. Das gejagte Wassergetier aber hatte mitunter eine so abstoßende äußere Form, dass man mit der Zeit gar nicht umhin konnte, eine letztlich auch für uns attraktive zu finden. So konnte die moderne Antwort auf diesbezügliche Erfahrungen nur lauten: Fischstäbchen.

Egal, welchem Thema man sich zuwendet, es sollte mit mehr oder minder großer Leidenschaft geschehen. Jedenfalls sag ich das immer, und wahrscheinlich ist es gar nicht mal so verkehrt. Weil sich nämlich deswegen der Max für sein Klavierspiel jetzt nachsagen lassen darf, dass er „glänzte mit einem klar und gut artikulierten Spiel“. Oder die Pauline angesprochen wird darauf, dass sie ihr romantisches Stück „mit gefühlvollem Ausdruck“ vortrug. Mich macht das natürlich sehr stolz, und wer weiß, vielleicht stehen die beiden mit ihren besonderen Leistungen ja irgendwann auch mal in einem Geschichtsbuch. Oder wenigstens bei Google. Da kann man nämlich gleichzeitig herausfinden, ob es zur Zeit der Pharaonen bereits Notenblätter gab oder die Welfen noch Jagd auf Fischsaurier machten…

Fotos: © Pixabay

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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