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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Weih oh Weih“

Ginge es nach Oskar und seinen lässigen einsilbigen Umgang mit der Sprache, würden wir in diesen Tagen Weih feiern. Vielleicht stellt er aber auch nur die Frage nach Sinn und Zweck dieses Festes, was auf Englisch gleich viel unverdächtiger daherkommt: Why? Wie dem auch sei, seine ganz bestimmt altersbedingte Vermeidung der kompletten Aussprache ist schon ein besonderes Geschenk an uns alle. Valentin hört neuerdings auch auf Walle, Maximilian findet mit Ma nicht weniger sich gemeint, und dass Pauline auch als Line kein halber Mensch ist, ist ihr längst klar. Papa und Mama aufsagen, das geht ihm schon recht lange locker von der Zunge. War zwar auch schon mal Pama oder Mapa darunter, aber das lass ich ihm als emanzipiert bis visionär durchgehen, sollten doch sowohl Mann wie Frau im besten Fall Anteile des jeweils anderen Geschlechts in sich tragen.

Damit muss weder ich zu Lippenstift oder Handtasche greifen noch mein weibliches Äquivalent den Playboy-Kalender aufhängen, den ich auch in diesem Jahr schon wieder nicht geschenkt bekomme. Dazu muss ich sagen, ich habe ihn mir auch gar nicht gewünscht. Nicht einmal geliebäugelt hab` ich mit dem. Schließlich will man auch moralisches Vorbild sein und bleiben, erst recht an Weihnachten. Ich würde mich nicht mal trauen, richtige Kerzen an unserem Weihnachtsbaum anzubringen. Die fühlen sich nämlich zunächst an wie Wachs zwischen meinen Fingern. Und jede Wette, dass sich bei der Frau an meiner Seite ein ähnlicher Effekt einstellt, sobald sie mich nur aus der Ferne wittert. So direkt habe ich sie zwar jetzt noch nicht danach gefragt, hole ich aber in diesen Tagen nach. Gerade an Weihnachten sollen ja nicht selten Zeichen und Wunder geschehen…

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Halbe Sachen gibt es bei uns zum Fest nicht. Der Oskar mit der konsequenten Halbierung von Wörtern liegt da schon ziemlich weit neben dem sonstigen gefestigten Trend. Über halbe Geschenke zum Beispiel würde sich aber ein jeder voll aufregen. Wer würde auch schon ein halbes Buch, eine halbe DVD oder eine halbe Socke für voll nehmen? Wobei, ein unvollständiges Fußtextil gäbe Anlass zur Reklamation und würde dabei die Chance auf einen Umtausch wesentlich erhöhen. Solche Sachen wie Socken auf dem Gabentisch mag ich persönlich nämlich nicht. Das hat so den Geruch von… Geruch eben, später bestimmt. Dann schon lieber eine halbe Hose. Mit so einer winkt nämlich schon fast der Sommer zum vorläufig noch winterlichen Gruß, so halb jedenfalls. Was vollauf dem herrschenden Trend entspräche.

Noch dazu sähe sich Oskar irgendwie bestätigt in seinem Ansatz, die deutsche Sprache dergestalt umzubauen, dass es letztlich auch eine Silbe tut. Und doch fällt immer wieder auf, dass seine Vorstellung eines bestimmten Wortes deutlich mehr als nur etwa eine Hälfte umfasst. Vielmehr scheint es ihm oft ein Spiel mit unserer Erwartung, ein gekonntes Balancieren über manch halluzinierte Abgründe erwachsener Befürchtungen zu sein. Aber noch ist der Spaß daran ganz auf unserer Seite, und seine Freude über so viel frühen Schalk im Nacken ungebremst.

Und warum nicht einmal Weih feiern, wenn es mit oder ohne nachten auch nicht so viel anders zugeht als in den Jahren davor? Solange nur die Geschenke als Ganzes ihre Empfänger erreichen, ist die Weihnachtswelt in Ordnung. Und bestimmt bleiben auch die Plätzchen nicht etwa zur Hälfte liegen, bloß weil Oskar einen Narren an halben Sachen gefressen hat, die sich wiederum nur auf seine extravagante Aussprache beziehen.

Er kriegt halt sein Weih, und die anderen ihr Weihnachten. Bloß bei den Geschenken, da dürfte ihm schon auffallen, wenn was fehlt. Die Hälfte von jenen ihm zugedachten zum Beispiel. Da ist es natürlich von Vorteil, dass er derzeit nur bis zwei zählen kann. Obwohl es nach meinem Kenntnisstand tatsächlich deutlich mehr als nur ein einziges ist. Und darunter ist auch kein halbes Kleidungsstück, wie ich ebenfalls aus sicherer Quelle weiß. Man stelle sich nur vor, Oskar fände für sich eine halbe Hose unter dem Baum. Noch an Ort und Stelle würde er zum einzig wahren Nachwuchs-Weihnachtsmann mutieren, verbal beeindruckend mit dem klassischen Eröffnungsvokabular: Ho, ho, ho…!

Der Weihnachtsbaum kommt auch in diesem Jahr wieder aus dem nahegelegenen Wald. Von den diversen Präsenten ist auszugehen, dass sie von überall aus der Welt herkommen, entweder aus einem Guß oder in ihren verschiedensten Bestandteilen. Wüsste Oskar jetzt schon, dass es oft ziemlich lange braucht, ehe eine Sache wirklich komplett ist, seine Genugtuung wäre riesig. Gut, dass ihm das noch niemand gesteckt hat. So kann er noch eine Weile fest damit rechnen, dass Einsilbigkeit nicht in jedem Fall der zwischenmenschlichen Kommunikation im Wege steht. Smalltalk nach Oskar-Art, kein schlechtes Vorbild eigentlich für die Feiertage. Wo es doch oft genug die nicht enden wollenden Gespräche resp. Streitgespräche sind, die auszuhebeln vermögen, was im weitesten Sinne als Friedensprojekt angelegt ist. Wir kommen also nicht umhin, MoMo als feierliches Gebot der Stunde zu betrachten. Sagt Oskar. Erwachsen klingt Moral ja auch sowas von unglaubwürdig…

Fotos: © pexels.com

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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