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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Von Fallobst zu Fallobst“

Der Sommer in diesem Jahr will nicht enden, wie es scheint. Für Kinder ein Zustand, wie er gerufener nicht kommen könnte. Ein Aufenthalt draußen ist einfach mit nichts zu vergleichen, nicht einmal mit einem Ballonflug über Überraschungseier, die sich der Reihe nach von selbst öffnen. Oder mit einem Besuch in einer Autowerkstatt, wie wir ihn kürzlich wiederholt zelebriert haben, bloß weil so gut wie nichts mehr ging. Turbolader hinüber, die Injektoren in braver Gefolgschaft mit derselben Negativbotschaft, die Domlager vorne außer Rand und Band, dafür mit einem eindrucksvollen, wummernden Sound bei Regen und in der Kurve. Und so weiter, und was sich ein roter Neunsitzer noch so einfallen lässt, um ja keinen verrückten Gedanken an ein ewiges mobiles Leben bei uns aufkommen zu lassen. Mittlerweile hat das bald zehn Jahre alte Gefährt zwar wieder Straßenberührung, aber die Situation bleibt prekär. Müssen vielleicht doch demnächst mal einen Heißluftballon ausleihen, um von A nach B zu kommen. X, Y oder Z wäre zwar auch schön, wüsste jetzt aber gerade keinen, der uns mal so nebenbei sein Langstreckenflugzeug anvertrauen würde. Einen Pilotenschein habe ich ebenfalls nicht. Wobei, vielleicht reicht es ja schon, erziehungstechnischer Gründe wegen gelegentlich angemessen in die Luft zu gehen…

Ein Aufenthalt draußen scheint nach Lage der Dinge alternativlos. Daran sind aber eh nicht jene Kinder interessiert, die Draußen gerne mal mit Beinahe-Paradies oder zumindest mit Garten übersetzen. Da hinein zieht es in diesem herrlichen Spätsommer Valentin, nachdem er sich mit Jakob und Leopold zur Obsternte verabredet hat. Aufgelesen oder von den Bäumen heruntergeschüttelt werden Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Wobei ich mir jetzt nicht sicher bin, ob das Zwetschgen sind. Ich weiß eigentlich nur, dass welche von denen und süße Artgenossen von woanders her bereits auf einem ausgerollten Kuchenteig drapiert wurden. Und dass der zu Ende gebacken richtig lecker geschmeckt hat. Mit Äpfeln klappt das garantiert auch. Mehr noch, das hat es bereits, oft sogar. Und dabei wusste ich jedes Mal, dass es Äpfel waren, die sich zusammen mit dem Kuchenteig auf Sturzflug in meinen Magen begaben. Leopold, Jakob und Valentin kennen sich bestimmt bestens mit allen Obstsorten aus, die die Natur in unserem Garten erzeugt.

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Und bestimmt tut es ihnen in der Seele weh, überall das viele Fallobst herumliegen zu sehen, schwer verletzt bis tödlich verwundet. Mit kleinen und großen Wundmalen, seltsamen Flecken und tiefen Bisswunden, erzeugt durch allerlei Insektengetier und ständig hungrigen Vögeln. Oskar kann manchmal seinen Blick nicht mehr abwenden, hat er so einen legitimen Nachfolger der Dinosaurier entdeckt. „Piep, piep“ geht ihm dann immer gleich über die Lippen, und so einen Vogel hat er auch mir schon einmal gezeigt. Zuletzt, als ich erneut ratlos über so viel Fallobst im Garten herumstand und drauf und dran war, Äpfel und Birnen gar nicht erst zu vergleichen, sondern gleich in das angrenzende Grundstück zu werfen. Klar könnte ich die auch auf unser Auto werfen. Aber da stürzt sich längst der Zahn der Zeit drauf, da gibt es keinen weiteren Beschädigungsbedarf. Und wenn ich es doch täte, Oskar würde mir bestimmt erneut einen Vogel zeigen. Aber unter Garantie keine mit Vorliebe unseren Komposthaufen ansteuernde Krähe…

Der allerdings steht wiederholt unter schwerem Beschuss einzeln aufgelesener Birnen und Äpfel. Allerdings differenziere ich dabei schon, und für Max, Valentin, Leopold und Jakob ist es ebenso selbstverständlich, nur restlos faules Obst dorthin zu entsorgen. Was sich noch als halbwegs genießbar herausstellt, wandert entweder in die eigene Küche oder in die Saftpresse. Die ist nur ungefähr zehn Kilometer entfernt, und von dort beziehen wir unregelmäßig diverse Säfte. Zuletzt haben wir dieser Süßmosterei etliche Kilo Äpfel geliefert, und die hat auch individuell darauf reagiert. Der junge Mann am Anlieferungsbecken meinte nämlich, wow, eine komplette Fußballmannschaft im Auto. Ich wollte ihm zurückgeben, super, hat sich die FIFA jetzt doch auf höchstens acht Mann Mannschaftsstärke geeinigt, ließ es dann aber sein. Immerhin gibt es im Gegenzug für freiwillig angeliefertes Eigenobst einige Flaschen Saft, da nimmt man einen vielleicht schon tausend Mal gehörten Spruch locker in Kauf. Eher waren wir froh darüber, dass der junge Mann unseren Mannschaftsbus noch als richtiges Auto erkannt hat und nicht etwa als Ersatzteillager auf Rädern. Auf der anderen Seite sprechen noch einige heftige Argumente dagegen: Das Lenkrad unterscheidet zwischen rechts, links und geradeaus. Die Seitenfenster vorne lassen sich elektrisch öffnen, ohne zusätzlichen Anschluss an ein Atomkraftwerk. Der Auspuff erfüllt seine Funktion, gerne auch im Austausch mit dem Motorraum. Nein, Halt, soweit ist es dann doch noch nicht. Aber top in seiner Funktion als Obsttransporter, daran besteht kein Zweifel. Deshalb: Wehe dem, der es wagen sollte, ihn doch tatsächlich als Pflaume zu verspotten!

Fotos: oben © fotolia (Irina Schmidt) // unten © pixabay

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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