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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Kleinvieh macht einen Mist“

Es gibt Kinderärzte, die kommen aus einem Berufsstand, der ihnen Sorgfalt und Genauigkeit vorschreibt. Und dann gibt es solche, die in Wahrheit lieber Hellseher wären. Weil sie nämlich am Telefon über ihre Arzthelferin ausrichten lassen, dass es mit dem von uns vermuteten Infekt seine Richtigkeit hat, ein Besuch als Patient in seiner Praxis demnach entfallen kann. Womit also auch auf eine eingehende Untersuchung verzichtet werden könne. Wo kämen wir aber auch hin, wenn echte Kinder echten Kinderärzten ausgeliefert wären, die doch nichts anderes wollen, als anhand nachprüfbarer Zustände Diagnose mit Therapie in Einklang zu bringen?

Sowas kommt vor. Auch in einem Land, dass sich Gesundheit auf viele Fahnen geschrieben hat, von denen manche aber bis tief in die Wolken hängen. Oft weit entfernt von der Einsicht in die Zerbrechlichkeit und Endlichkeit des menschlichen Körpers, erfolgt die Gleichsetzung von optimaler Gesundheit mit ewigem Leben. Die Vermutung liegt nahe, dass dies ähnlich auch für Tiere gilt, allemal Kleintiere. Und auch für die gibt es Ärzte, sogenannte Tierärzte. Bei einem, besser einer solchen war Jakob für zwei Tage während seines Schülerpraktikums. Ich will nicht ausschließen, dass es damit zu tun haben könnte, dass er Tierarzt für einen erstrebenswerten Beruf hält. Halte ich schon auch, obwohl ich finde, dass auch Journalisten Wunden heilen können. Zum Beispiel solche von Wahrheitssuchern, die am Ende auf die vielgerühmten „Fake News“ hereinfallen und sich dabei gewaltig schneiden. Aber natürlich tun sich Ärzte mit dieser Art Tätigkeit noch viel leichter und werden genau deshalb auch pausenlos aufgesucht. Oder dulden den relativ kurzzeitigen Besuch von Praktikanten, Jakobs Tierärztin jedenfalls erwies sich hierfür als wunderbar tolerant und aufgeschlossen. Eigenschaften, die auch Jakob durchweg auszeichnen, ist doch sein Status als Vegetarier praktisch unangreifbar. Und wer wie er es sich deshalb fast noch nie mit Tieren verscherzt hat, bringt eigentlich alles mit für einen makellosen Aufenthalt bei Menschen mit nonstop Tierrettungsgedanken. Noch dazu geriet er überwiegend an Hunde und Katzen von Besitzern, die keinen Hehl aus ihrer Weltsicht zu machen schienen: Dogs and Cats first!

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Die Jakob quasiberufliches Obdach gebende Ärztin war eine freundliche Dame über Sechzig. Jene ein paar Wochen vor seinem kurzzeitigen Eintritt in eine womöglich angestrebte Karriere uns kontaktierende Dame war Arzthelferin und beschwor bereits am Telefon schier apokalyptische Zustände. Dass der übliche Geruch in den Praxisräumen eigentlich nicht zu ertragen sei, und dass bei Operationen am offenen Tier allen Beteiligten angeraten wäre, sich beim nächsten Mal besser beim Bäcker anzustellen. In exakt diesen Worten hat sie es natürlich nicht gesagt, aber sehr wohl gemeint. Und dass, wo allgemein bekannt ist, dass Hunde und Katzen leider nicht mit in eine Bäckerei hineindürfen. Anbellen und Fauchen gehören aber auch zu den Stärken von Kunden in zweiter bis letzter Reihe…
Die Praxis von Frau Doktor ist eine Kleintierpraxis. Die mehrfachen Erwähnungen der liebsten Haustiere der Deutschen hat ja bereits nahezu alle diesbezüglichen Unklarheiten beseitigt. Was wäre nun aber gewesen, wenn Jakob auf die Untersuchung oder gar Operation eines Zierfisches bestanden hätte? Schließlich ist ja auch ein Fisch ein Kleintier. Würde ich jedenfalls drauf tippen beim wöchentlichen Anblick von Fischstäbchen. Und Wale kommen meines Wissens nach ja für gewöhnlich in die sensible Obhut japanischer Fangexperten. Mal ganz davon abgesehen, dass ein Praktikant beim Tierarzt auf nichts zu bestehen hat. Außer vielleicht auf ein Mittagessen ganz ohne tierische Bestandteile, weil die längst ins Labor gebracht wurden.

Dem Kleintier Hund war Jakob an diesen Tagen besonders zugeneigt. Einem durfte er sogar über etwa zwei Stunden das Fell kraulen, weil der armen Kreatur eine Infusion gelegt wurde. Dafür wurde Jakob auch ganz besonders gelobt, währenddessen und in seinem Praktikumszeugnis. Damit das an die richtige Adresse gelangte, hatte die Arzthelferin ein zweites Mal angerufen. Zufällig war ich am Apparat, um sie mit der notwendigen Anschrift zu versorgen. Eigentlich wollte ich noch sagen, dass es so schlimm nun doch nicht war. Sondern viel schlimmer: Frau Doktor führt nämlich fast keine Operationen mehr durch. Jakob ist damit entgangen, was ihn vielleicht doch noch ins Grübeln hinsichtlich seiner Berufswahl gebracht hätte. Weil Hellseher haben es echt drauf. Oder Journalisten: Die dürfen dann diesen albernen Unsinn entlarven…

Fotos: oben © Fotolia (WavebreakMediaMicro) // unten © Pixabay

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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