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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Endzeit de luxe“

Die letzte Nacht des Jahres lädt wieder ein, gebannt in den Himmel zu starren, sofern grelle künstliche Lichter mit vorherbestimmten Aktionsradius nicht durch das Sympathieraster fallen. Umfragen und authentischen Gästezahlen zufolge gehört diese Einladung ungebrochen zu den meistbefolgten. Ungewöhnlich viel Zuspruch also für letzte Angelegenheiten. Aber es ist halt nicht irgendeine Nacht, es ist immerhin die Nacht des Übergangs in das neue Jahr. Eine begrenzte Zeit großer Hoffnungen auf ein womöglich besseres als das vorangegangene. Eltern kann ja eigentlich kaum Bewegenderes zustoßen als die nicht komplett verbaute Aussicht auf eine goldene Ära ihres schicksalhaften Berufsstandes. Begründete Hoffnung darauf, dass aus ihren Kindern gelittene Bundeskanzler oder leitende Finanzbeamte werden. Ein Schuss Zuversicht, dass sich die Wunschpartnerin respektive der Herzenspartner langfristig als zumindest anständig, besser noch als Millionenerbe in Warteposition herausstellen. Ein horizontales Silberstreifchen, dass es unsere Kinder einmal besser haben als wir. Gerade ich als Mann klammere mich sehr an diesen Wunsch, kämpfte ich doch erst jüngst wieder gegen einen schier übermächtigen Schnupfen an…

Es weitgehend unbeschadet bis an das Ende eines Jahres geschafft zu haben, qualifiziert gewiss zu höheren Aufgaben. Zwar dachte ich bislang, ein Vater ist grundsätzlich dazu berufen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch das familiäre Tagesgeschäft, das die Suche nach dem Sinn des Lebens ungemein erleichtert. Angefangen beim Wechseln voller Windeln, das aus der Fülle menschlicher Existenz mit den bloßen Händen schöpfen lässt, bis hin zum Schlichten heftiger Rangeleien unter echten Jungs, dessen friedensstiftendes Potential sich jedes Mal wieder ausrichtet an den weisen Worten des Dalai Lama. Oder wenn mir die gerade nicht einfallen, dann halt an Wille und Weg der Diplomatie der Vereinten Nationen. Kein Konflikt irgendwo auf der Welt, den die nicht gelöst hätte. Das brauch` ich den großen Jungs zwar nicht ernsthaft erzählen, aber mit dem Expertenwissen eines Märchenonkels dazwischengehen, dass finden die gar nicht mal so verkehrt. Kennt der doch bestimmt auch so super Stories von zunächst schwer beeindruckenden Riesen, die im weiteren Verlauf zu hilflosen Zwergen mutieren…

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Hoffnungen und Erwartungen verdichten sich also nicht allein in unaufgeräumten Silvesterstunden, sondern finden auch lange davor dankbare Abnehmer. Oskar zum Beispiel trägt die Rund-um-die-Uhr-Hoffnung eines stets gefüllten Magens mit sich herum. Was ihn wohl mitunter dazu antreibt, mit seinem schon recht großen Zünglein vor- und zurückschnellende Signale auszustoßen. Anmut geht anders, aber ein angesehener Preis in nonverbaler Kommunikation dürfte ihm damit sicher sein. Zudem unser Respekt dafür, bekannte Wege der Nahrungsmittelbeschaffung um einen ausgeprägt originellen ergänzt zu haben. Bei soviel persönlichen Einsatz für existenzielle Interessen hofft Oskar natürlich nicht umsonst auf entscheidende Beiträge zu einem gesunden Gedeihen. Was nebenbei auch für den Rest der Familie ordentlich was abwirft, bleibt doch so die Anziehungskraft seiner offenbar angeborenen Musikalität ungebrochen. Gilt mit Einschränkung auch für seine Tierstimmenkompetenz: Erblickt er in welcher optischen Ausprägung auch immer eine Kuh, folgt unweigerlich sein begeistert herausgepresstes Muh. Was in mir die Hoffnung weckt, mir selbst gelänge bald ein adäquates Löwengebrüll. Die Anfeindungen werden ja auch nicht weniger, denen die natürliche Autorität heutiger Väter ausgesetzt ist…

Man wird den Himmel vor lauter Feuerwerksexplosionen nicht mehr sehen. Aber das geht vorüber, schneller, als den Meisten wahrscheinlich lieb ist. Bleiben wird ein imposanter Feuerschweif an Erwartungen und Hoffnungen, focussiert auf das neue Jahr. Den zu Gesicht zu bekommen, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Zu oft und zu schnell kommt unter die alltäglichen Räder, was gerade eben noch hoch auflodernder Herzenswunsch war. Zum gedanklichen Aufwärmen aber taugt das phänomenale leuchtende Dings in unseren Köpfen aber allemal, und wenn mich nicht alles täuscht, sogar das ganze Jahr über. Und das lässt schon deshalb schwer hoffen, weil sich das Erkältungsregime längst auch brutal wirksame Geltungsbereiche im Frühling wie im Sommer gesichert hat…

Fotos: © Pixabay

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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