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Kolumne: Sechserpäckchen +1 – „Aus der Spur“

Jetzt, etwa Mitte Januar, kann ich es ja sagen: Einen so schneereichen Dezember wie den gerade hinter uns gelassenen habe ich nur selten erlebt. Nahezu komplett eingerichtet in Weiß, hielt draußen über Weihnachten bis in diese Tage an, wozu andernorts Meteorologen bekniet wurden, ihre Vorhersagen doch bitteschön den eigenen romantischen Vorstellungen anzupassen. Das Wetter in Deutschland kommt ja für gewöhnlich Schwarzsehern recht weit entgegen, die mit den deutlich helleren Klima-Ambitionen haben es schon deshalb schwer. Außerdem ist nicht bekannt, dass sich der Wettergott bestechen ließe. Wüsste auch gar nicht, womit. Da könnte man genauso gut versuchen, den Klimawandel mit einem Schwall relativierender Worte zu bannen. Oder ihn gar nicht erst stattfinden zu lassen, weil er ja voraussichtlich doch nur eine ganze Menge Ärger macht. Sind eben nicht gewohnt, von immer heftigeren Stürmen bis ins Weltall hinaus gefegt zu werden oder es übertrieben genau mit dem Platz an der Sonne zu nehmen. Und findet plötzlich vor seiner Haustüre nur noch Wüste vor, endlose, bedrückende Sandwüste. Keinen noch so verlausten Hund würde ich unter diesen Umständen vor die Tür jagen! Andererseits machen derartige Verhältnisse den kabellosen Internetzugang nahezu unmöglich. Ist nur ein Gedankenspiel, aber fragen wird man ja noch dürfen: Ist ein niemals endender Sommer nicht eigentlich der Himmel auf Erden für Pubertierende?

Ich gebe gerne zu, dass mir die gemäßigteren Monatsabfolgen wie im Frühling oder Herbst deutlich mehr liegen. Aber Valentin zum Beispiel streift sich so begeistert seinen Schneeanzug über, dass ich jedes Mal annehmen muss, er kommt dabei mit purem Gold in Berührung, dass er eventuell gleich draußen in bare Taschenmünze umtauschen könne. Und auch Max steckt flugs tief drin in so einem wintersportlichen Einteiler. Seine saisonale Vorliebe gilt dem Langlauf in gespurten Loipen. Gespurt. Hab` ich selbst schon früher als Kind von gehört, wenn ich mal wieder alles richtiggemacht habe. Aus Sicht der Eltern, versteht sich. Für mich ist das ein absolutes Unwort. Geeignet, tradierten preußischen Verhältnissen die zweifelhafte Ehre zu erweisen.

Little boy playing with digital pad at the table.

Ich bin ja schon froh, wenn die Kinder verstehen, worauf ich letztlich hinauswill. Und dass sie das nicht erst Googlen müssen. Vielleicht auf die Sprünge helfend, wenn sie dabei zufällig auf den Begriff vom „Spuren“ treffen. Oder mit Schrecken entdecken, was unter einem Befehlsempfänger zu verstehen ist. Und dass Autoritäten nicht per se nicht von dieser Welt sind, dafür aber bereits unter Aufbietung altmodischer Aspekte in Elternhäusern aufgespürt werden konnten. Aufmerksame Leser haben sicher verstanden, worauf ich eigentlich hinauswill. Aber sagen sie das mal Kindern, die in ehedem preußischen Gepflogenheiten gemeingefährliche Attacken feindseliger Lebensformen erkennen wollen…

Während Max seine vorgespurten Bahnen zieht, zieht es Valentin die deutlich spurloseren Hänge hinunter. Leopold rauscht noch am liebsten von ganz oben von der Alm herunter, wahrscheinlich mit einem Affenzahn, gefühlt mit zwei oder mehr. Aber für Anlässe wie diese gibt es ja Schutzengel, heißt es zumindest bei der Agentur für das Prinzip Hoffnung, Abteilung für spontanes Abrufen. Noch jedes Elternteil hat bei ihr schon angefragt, entweder gelegentlich oder aber dauerhaft. Dauerhaft kann heißen: Von Geburt an bis Volljährigkeit. Ein verbreiteter Grund dafür: Das Kind ist aus der Spur geraten. Vielleicht, weil es sich in den Fängen des Internets bisweilen zu wohl fühlt. WLAN ist einfach zu verführerisch, als dass man ihm die runzelnde Stirn bieten wollte. Was Auslöser sein kann dafür, Spuren zu verfolgen, die bis ins Herz fragwürdiger Unterhaltung führen, bei einiger Ziellosigkeit sogar zu Frauen suchenden Bauern. In der Pubertät kann sowas höchst irritierende Auffassungen von Liebe und Schönheit erzeugen. Aber nicht nur das: Es wirft gerade jüngere Menschen soweit aus der Bahn, dass sie plötzlich anfangen, von ebendort empfangene Sprüche und Botschaften in den Alltag integrieren zu wollen. Erwachsene Menschen in ihrer zielführenden Funktion als Eltern bringt sowas ebenfalls schnell aus der Spur, ist doch spätestens ab dann die Zivilisation nur noch störendes Beiwerk. Man möchte mit der Mistgabel drohen und die Sau rauslassen, ist doch unser Hauseingang noch lange kein Scheunentor. Wie ungemein beruhigend dagegen Maximilians ausgesuchte Winterlust auf gespurte Loipen, die keinen anderen Weg anbieten als den vorgegebenen. Gespurt. Wie furchtbar altmodisch das doch klingt. Furchtbarer höchstens noch die kaum vermeidbare Verwandlung recht junger Menschen in noch lange keine erwachsene Frau suchende Sprücheklopfer.

Fotos: © Fotolia

Michael Ibach
Michael Ibach
Michael Ibach ist freier Journalist und Autor; als Autor/Ghostwriter arbeitet er seit über 15 Jahren für diverse Bühnenkünstler aus Deutschland und der Schweiz (Comedians, Kabarettisten, Bauchredner, Zauberer, Moderatoren, etc.). Kolumnen wie diese wurden bereits in verschiedenen Familien-Magazinen publiziert, u. a. in "Mamamia", "KidsLife", "Kids&Co.", "BIO-Magazin" und zuletzt im Chiemgauer Regionalmagazin "Servus Achental". Mit seiner Familie lebt er seit etwa 10 Jahren am bayerischen Alpenrand, seit 2012 im Chiemgau.

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