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Kleine Kinder in sozialen Netzwerken

Kleine Kinder in sozialen Netzwerken – Mittel zum Zweck, Selbstbeweihräucherung oder einfach nur gut gemeint? Im Zuge der Marketing-Recherche für mein neues Papa-Buch sprießen sie plötzlich aus dem Boden, wie die Blumen im Frühling. Einer nach dem anderen, mal relativ klein mit einigen hundert Followern, mal sehr groß mit einer Community im hohen fünfstelligen oder gar sechsstelligen Bereich. Die Rede ist von Internetauftritten, die sich explizit mit Kindern und dem Familienleben beschäftigen.

Das Thema machte mich neugierig, nicht nur weil ich mir egoistischerweise interessante Werbemöglichkeiten erhoffte, sondern weil ich darüber hinaus einfach mal wissen wollte, wie das Ganze funktioniert, welche Menschen dahinterstecken und warum sie den ganzen Aufwand betreiben. Denn dieser kann zweifelsohne sehr hoch sein, schließlich lebt ein guter Internetauftritt davon, dass er aktuell und interessant ist. Mit 08/15-Postings im 2-Monats-Takt lockt man heutzutage schließlich niemanden mehr hinter dem Ofen hervor.

Also zog ich mir neugierig und hochmotiviert eine Seite nach anderen rein. Die Verweildauer auf den jeweiligen Plattformen variierte dabei stark, mal fand ich das mir Dargebotene überaus interessant und blieb verhältnismäßig lang „drauf“, mal gab ich relativ schnell die nächste URL ein, weil ich vom Inhalt nicht überzeugt oder schlichtweg gelangweilt war.

Für jeden etwas dabei: Ratgeber, Spaßbringer, Austausch-Plattformen usw…

Eine Erkenntnis kam bei der ganzen Klickerei schnell: Die inhaltliche Bandbreite der verschiedenen Seiten unterschieden sich teils enorm. Verstanden sich die einen noch als moderne Ratgeber für Mamis und Papis und boten ihren Usern allerlei nützliche Infos, beschränkten sich andere darauf, das Familienleben mit Kind ordentlich durch den Kakao zu ziehen, um für jede Menge Spaß unter den Followern zu sorgen. Wiederum andere Internetadressen bezogen ihre Community fleißig mit ein, sodass ein reger und mitunter auch sehr konstruktiver Austausch stattfand. Viele von diesen Seiten waren wirklich äußerst interessant, gern werde ich sie in Zukunft noch öfter besuchen und weiterempfehlen.

Bilder, Bilder, Bilder: Egal ob im Kinderbett, am Mittagstisch oder in der Badewanne…

Warum auch immer zog mich im Laufe meiner Recherche eine weitere Gruppe von Internetauftritten völlig in ihren Bann. Diese Seiten waren relativ bildlastig und auf ihnen wurde gefühlt das komplette Privatleben der Protagonisten preisgegeben. Fotos in den eigenen vier Wänden, aus dem Garten, im Auto, beim Einkauf, im Urlaub und und und. Immer mittendrin statt nur dabei: Der Nachwuchs. Sei es morgens mit dem Stofftier kuschelnd im Kinderbett, mittags beim Essen mit verschmiertem Mund im Hochstuhl oder abends mit Quitscheente in der Badewanne – scheinbar wurde in jedem passenden Moment gnadenlos mit der Handykamera draufgehalten. Aber nicht nur Schnappschüsse wurden geboten, hier und da war sogar das ganze Gegenteil der Fall, nämlich in Form von Bildern, auf denen die Kinder, modern gestriegelt und in coole Hipster-Klamotten gepackt, regelrechte Styler-Posen zum Besten gaben. Und das nicht nur einmal im Monat, sondern meist in deutlich kürzeren Intervallen. Lt. der Timeline wurde am Tag mindestens ein Bild hochgeladen, oft sogar mehrere – stramme Leistung.

Was mich dann irgendwann zu zwei Fragen trieb:

Frage 1.) Was halten diese Kinder wohl irgendwann (wenn sie älter sind und das Ganze realisieren können) davon, dass tausende wildfremde Menschen bei Instagram oder Facebook in Big Brother Manier jahrelang mehr über sie sahen und erfuhren, als ihnen vielleicht lieb ist? Ernsthaft um Erlaubnis gebeten wurden sie schließlich nicht, macht ja auch wenig Sinn in dem Alter.

Frage 2.) Warum stellen Mütter/Väter ihre Kids bewusst öffentlich so zur Schau? Ist es vielleicht die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit bzw. die Suche nach Bestätigung in Form von Likes und netten Kommentaren a lá „Oh, wie süüüß!“, die einige antreibt? Oder ist es einfach nur ein Mittel zum Zweck, um vielleicht sogar mit einem Blog als kleinem Geschäftsmodell etwas Kohle zu verdienen? Ganz bestimmt sind diese beiden Vermutungen, besonders die erste, nicht ganz weit hergeholt, auch wenn das nicht jeder Elternteil gern zugeben würde.
Viele meinen es einfach nur gut, haben die Randerscheinungen aber vielleicht nicht immer auf dem Schirm.

Fairerweise muss man aber auch zugeben, dass viele es einfach nur gut meinen. Diese Mütter und/oder Väter sind einfach unglaublich stolz auf ihre Kleinen und möchten ihr Glück und die Lebensfreude einfach mit vielen Menschen teilen. Einigen ist es dabei scheinbar egal, wer die Bilder alles sieht, andere denken vielleicht gar nicht so weit. Schon gar nicht, wenn es darum geht, die Fotos vielleicht irgendwann mal wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Wahrscheinlich haben die wenigsten die Hürden und Besonderheiten in Sachen Bildrechte und Löschen überhaupt auf dem Schirm. Aber das Internet vergisst halt nie, ob einem das gefällt oder nicht.

Letztendlich sind natürlich alle Eltern alt genug, um selbst zu entscheiden, wie viel und was sie von ihrem Privatleben mit dem Rest der Welt teilen möchten. Und auf der anderen Seite muss auch niemand auf diese Seiten klicken, wenn er diese Einblicke in die Privatsphäre nicht gutheißt.

Kleinen Kindern sind hochgehobene Daumen im Internet egal!

Aber mal Hand aufs Herz: Sind es manchmal nicht genau diese ganz privaten und innigen Momente mit den Kleinen, die das Familienleben so besonders machen? Und falls ja, sind sie dann nicht gerade deshalb ausschießlich im Kreise der Liebsten am besten aufgehoben? Könnten die kleinen Dötze auf diese Fragen antworten, wäre die Antwort sicher eindeutig: Hochgehobene Daumen und liebenswerte Kommentare in den sozialen Netzwerken sind ihnen total egal. Sie sind glücklich, wenn sie ihre Mama und ihren Papa um sich haben, am besten komplett ohne Handy und Internet, denn das lenkt ohnehin nur vom Wesentlichen ab…

Fotocredit: © vchalup – Fotolia.com

Thomas Bentler
Thomas Bentlerhttps://www.lektora.de/thomas-bentler/
Thomas Bentler ist 35 Jahre alt und lebt in der Nähe von Paderborn. Vom aktiven Amateurfußballer avancierte er bereits mit 27 Lenzen zum Trainer einer Kreisliga-A-Seniorenmannschaft, um später sogar Coach eines U17-Bundesliga-Teams zu werden. Er ist Autor des Buches "Volle Pulle Kreisliga".

1 Kommentar

  1. Ich habe dazu eine klare Meinung: Bilder von Kindern gehören einfach nicht ins Netz. Von der persönlichen Entscheidung der Eltern mal abgesehen, gibt es dafür m. E. gute Gründe:
    – Das Recht am eigenen Bild und das Recht auf Privatsphäre gilt auch für Kinder. Auch, wenn sie diese Rechte möglicherweise nicht selbst artikulieren können.
    – Anders als bei Papierfotos kann man die Verbreitung der Bilder im Netz nicht wirklich kontrollieren.
    – Ich selbst fand es als Kind immer ganz schrecklich, wenn meine Eltern Babyfotos von mir im Freundes- und Familienkreis herumgezeigt haben. Wie würde wohl meine Tochter reagieren, wenn sie in einigen Jahren herausfindet, dass Babyfotos von ihr für die ganze Welt sichtbar sind?
    – Und wie du schreibst: Der Like-Fame für 5 Minuten ist meiner Tochter vollkommen egal.

    Sobald meine Tochter (und bald Töchter) artikulieren können, ob sie im Netz sichtbar sein wollen, gibt es möglicherweise Bilder von ihnen im Netz. So lang halte ich mich zurück.

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