Familienleben

Das Phänomen Winter

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Wenn Du morgens nicht mehr im Dunkeln zur Arbeit fährst und sich auf dem Heimweg die letzten Sonnenstrahlen in den Wolken tummeln, dann weißt Du, dass er vorbei ist: Der Winter. Gefühlte sechs Monate Dunkelheit, normalerweise mit Gevatter Frost im Schlepptau, machen den kleinen Spielplatz in der Nachbarschaft zur Einöde. Eine Igelfamilie fristet im nassen Laub ihr städtisches Vagabunden-Dasein während Moos und Feuchtigkeit der Tischtennisplatte gefährlich zusetzen. Lediglich an hochfrequentierten Sandkisten mit kalten Kletter-Stahlkonstruktionen, eingefrorenen Schaukelketten und immerfeuchten, glitschigen Holzbauten tummeln sich die Hardcore-Eltern, denen es in den eigenen vier Wänden zu eng und stickig wurde. Nachbarn? Fehlanzeige!

Nachbarn sind die Eltern, mit denen man im Frühling und Sommer die letzten Stunden des Werktages auf dem Spielplatz verbringt. Und am Wochenende trifft man sich dann wieder, also die Väter. Denn am Samstag und Sonntag scheinen Frauen einen Bogen um die Orte kindlicher Glückseligkeit zu machen. Na ja, ist ja auch kein Beinbruch. Das Freitagsspiel der Bundesliga oder die kommenden Spiele am Samstag und Sonntag lassen das erste Eis brechen, sollte man sich noch nicht so gut kennen. Und dann steigt man tiefer in Themen der Kindererziehung ein oder prahlt damit, dass das eigene Kind bereits durchschläft und schon „Bagger“ sagen kann.

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Dann trifft man sich häufiger und recht schnell fallen einem dann tatsächlich auch die Namen der Daddies wieder ein. Oder man sagt von sich aus, noch mal eben am Spielplatz vorbeischauen zu wollen. Kurzer Check wer noch da ist. Eine Einladung zum gemeinsamen Grillen wird gerne ausgesprochen oder angenommen und aus gleichgesinnten Vätern und Müttern werden gute Bekannte oder auch so etwas wie befreundete Familien. Man geht gemeinsam in den Zoo, ins Schwimmbad oder in den Märchenwald.


Heile Welt im Stadtdschungel – so etwa bis zum Oktober, denn dann werden wir vom Sprühregen und nasskaltem Wind in die Häuser gescheucht. Ende im Gelände! Der Grill wird im Keller eingemottet und das Kinderspielzeug für den Spielplatz ebenfalls. „Wir können uns ja mal zum Essen verabreden“, klingt einem noch im Ohr. Oder besser: „Unsere Frauen können ja mal einen Termin abquatschen, die schnacken ja eh wegen den Kindern“. Tun Sie das? Egal, Hauptsache abdelegiert. Treffen ja, aber die Orga?

Wenn der Termin in sechs Wochen dann steht (vorher hat man ja keine Zeit), freut man sich auf den Austausch. Wie damals – im Sommer. Und dann das: Der Anruf am gleichen Tag mit der Info, das Kind oder am besten die Kinder sind krank. Neuer Termin. Wieder sechs Wochen warten. Eigenes Kind krank. Wieder neuer Termin. Wieder sechs Wochen. Frühling.

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Zum Glück passiert das nicht immer und bei allen, denen man in seiner Hood gerne über den Weg läuft. Aber in diesem Falle ist es wirklich so passiert. Und die Kinder haben wir auch seit rund fünf Monaten nicht mehr gesehen. Ob sie schon schreiben und lesen können? Und werden die Kinder sich wiedererkennen und genauso zusammen spielen wie im letzten Jahr? Die Auflösung gibt es zum Glück ja bald, denn das Licht am Ende des Tunnels wird immer heller. In den Supermarkt-Regalen wird wieder Platz für Marinaden aller Art geschafft, der Baumarkt blüht in allen erdenklichen Frühlingsfarben und Kinder lassen sich wieder im Innenhof blicken.

Oh ja, und dieses Jahr ist sogar Fußball-Weltmeisterschaft. Das wird ein Spaß. Wer jetzt den Gedanken hat, das Grillen im Garten, spielende Kinder auf dem Spielplatz und Väter auf demselbigen spießig sei, der kann ihn behalten. Manchmal ist das vielleicht so, aber ganz oft passt das wunderbar. Und der Winter kann mich jetzt mal. Ich will wieder auf den Spielplatz! Und das bitte regelmässig.

Fotocredit: ©badmanproduction – Fotolia.com (Header), Beitragsbilder: Mark Bourichter

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